NEXT MANNHEIM Geschäftsführer Christian Sommer im Interview

Die Corona-Krise hat Deutschland und die Welt noch immer fest im Griff. Und das auf unbestimmte Zeit. Christian Sommer über die größten Herausforderungen, heftigsten Einschnitte und unerwartete Chancen für Startups in Mannheim und anderswo. 

Covid 19 hat das öffentliche Leben und die Weltwirtschaft seit Monaten fest im Griff. Was sind die direkten Folgen in unserem Startup-Ökosystem?

Das ist schwer das zu vereinheitlichen. Während Veranstaltungsagenturen im Musikpark mit dem Überleben kämpfen, gibt es im MAFINEX Startups, die von der Krise durchaus profitiert haben. Es ist daher ein sehr gemischtes Bild. Grundsätzlich glaube ich aber auch, dass in den technologischen Bereichen mittelfristig eine „Delle“ spürbar sein wird. Der Einbruch der Weltwirtschaft wird an B2B Startups nicht vorübergehen. Ganz grundsätzlich bin ich aber optimistisch, dass unsere Startups recht gut aus dieser Zeit hervorgehen, auch und insbesondere aufgrund der hervorragenden Wirtschaftspolitik auf allen Ebenen in dieser Zeit.

Ich glaube auch, dass die Corona-Krise langfristig Effekte zeigen wird. In Zeiten von Hochkonjunktur ist das Gründungsgeschehen in der Regel immer rückläufig. Hoch talentierte und sehr gut ausgebildete junge Menschen, die ein entsprechendes Studium abgeschlossen haben, sind auf dem Arbeitsmarkt so sehr begehrt, dass ein eigenes Unternehmen aus vielerlei Überlegungen heraus nur zweite Wahl ist. Wenn die großen Unternehmen jedoch restriktiver recruiten, kann das eigene Startup eine sehr reizvolle Alternative sein um die eigene Kreativität und die erworbenen Fähigkeiten einzusetzen. Ich rechne daher ab 2021 mit deutlich ansteigenden Gründungszahlen. Insgesamt war und ist diese Krise wie ein „Brennglas“. Stärken kommen zur Geltung, Chancen werden entdeckt und herausgearbeitet,  aber eben auch Schwächen haben unmittelbare und zum Teil gnadenlose Auswirkungen. Ich finde, das merkt man auch bei unseren Unternehmen. Es gibt Unternehmerinnen und Unternehmer, die sehr schnell und sehr flexibel ihre Geschäftsmodelle angepasst haben (wo dies nötig und möglich war), die Geschäftsfelder neu entdeckt haben, oder die Zeit für Umstrukturierungen positiv nutzten. Hier höre ich positive Signale.  Und es gab und gibt aber auch Unternehmerinnen und Unternehmer, die der Krise hilflos und lethargisch gegenüberstanden und meist lamentierten. Ihnen fehlte die Kraft, die Energie, oder auch die Kreativität, sich auf die neue Situation einzulassen. Da wird es eng. Beide Positionen will ich nicht werten, da es sicherlich viele Gründe hierfür gibt. Ich glaube jedoch schon, dass diese Krise etwas sehr Evolutionäres in sich trägt: wer in der Lage ist sich anzupassen und flexibel in der Lage ist auf neue Situationen zu reagieren, hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber denen die sich an die „Zeit davor“ klammern. Natürlich wird es Insolvenzen geben, aber vergleichsweise wenige im Verhältnis zu anderen Standorten.

Was war und ist die größte Herausforderung für NEXT MANNHEIM in dieser Zeit?

Auch uns hat die Krise getroffen. Das Veranstaltungsgeschäft in unseren Häusern ist auf null eingebrochen. Wir mussten viele Mieten stunden und zum Teil können diese nicht zurückbezahlt werden. Grundsätzlich sind wir ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das zuerst einmal selbst klarkommen muss, auch wenn für unseren öffentlichen Auftrag einen Zuschuss bekommen. Darüber hinaus fand ich es persönlich am schwierigsten den Überblick zu bewahren, was gerade wo unter welchen Voraussetzungen erlaubt ist und was nicht. Unser Team hat hierbei jedoch einen herausragenden Job gemacht, die entsprechenden Angebote zu sortieren, zu filtern, zu erklären und bei der Antragstellung zu beraten. Wir haben uns sehr darauf konzentriert im persönlichen 1:1 Gespräch auf die Sorgen und die Situation, insbesondere von vielen Soloselbständigen, Künstlern, Veranstaltern, Gastronomen und Startups einzugehen.

Wer in der Lage ist sich anzupassen und flexibel in der Lage ist auf neue Situationen zu reagieren, hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber denen die sich an die „Zeit davor“ klammern.
Christian Sommer
Foto: Daniel Lukac
Foto: Daniel Lukac

WAS WIRD CORONA DAUERHAFT VERÄNDERN?

Zuerst einmal glaube ich, dass wir zukünftig öfter pandemische Bedrohungen erleben werden. Es würde mich nicht wundern, wenn man in der Zukunft sehr viel sensibler auf lokale oder regionale Ausbrüche einer Infektionskrankheit reagieren wird und dies dann regelmäßig auch Folgen für ein größeres Umfeld hat. Wie schnell eine solche Situation weltweit zum Tragen kommen kann, haben wir erlebt.
Von jetzt auf nachher ist nichts mehr wie es war…

Das bedeutet, dass es konservative Haltungen, gerade im wirtschaftlichen Umfeld, mittel bis langfristig schwer haben werden. Agilität, Flexibilität und die Bereitschaft „alles auf links zu drehen“, wenn es nötig ist, werden immer mehr zu entscheidenden Erfolgsfaktoren vieler Unternehmen. Je starrer ein Unternehmen ist, desto bedrohter wird es in solchen Ausnahmesituationen. Dies halte ich für nachvollziehbar. Ich glaube auch, dass Corona einen wichtigen Beitrag dazu leisten wird, wie wir uns, unseren Planeten und unsere Ressourcen betrachten. Wir haben zwar jetzt für einige Monate eine „Auszeit“ von der Nachhaltigkeitsdebatte gehabt, diese wird uns aber umso mehr wieder einholen, desto mehr wir verstehen, was wir ändern müssen, um eine solche Pandemie in der Zukunft zu verhindern. Nachhaltigkeit und der Umbau unserer Wirtschaft auf der Basis ökologischer Prinzipien werden unabdingbar.

WAS RÄTST DU STARTUPS – EGAL AUF WELCHER STAGE – IN DEN KOMMENDEN MONATEN?

Wir leben in einer Zeit, in der uns klargemacht wird, dass es eine Sicherheit, die wir sehr lange genießen durften, zukünftig kaum noch geben wird. Das hat sich auch schon vor COVID 19 abgezeichnet. Planungen über mehrere Jahre, oder gar Jahrzehnte, werden zunehmend obsolet. Lebensentwürfe, die auf 40 jährigem Bausparen basieren werden verschwinden, langfristige Businesspläne werden noch aussageloser. Das „Fahren auf Sicht“ wird zum Standard. Tugenden wie schnelles unternehmerisches Denken, Risikobereitschaft, individuelle und persönliche Flexibilität, die Bereitschaft zur Kooperation und zur offenen Zusammenarbeit werden immer bedeutsamer. Und zwar im privaten wie im beruflichen Umfeld. Das Klammern an tradierte Besitzstände, generische Strukturen und etablierte Machtverhältnisse usw. wird bröckeln und irgendwann einstürzen.

Außerdem: Diversität bedingt Resilienz. Diverse Ökosysteme  sind widerstandsfähiger als monokulturelle. Wenn von 100 Startups 90 eine Lösung für die Automobilindustrie anbieten und diese bricht zusammen, dann stirbt das Ökosystem. Liegt die Quote bei 35% kann es überleben. Ich glaube, dass Corona eine Zeitenwende einläutet. Vielleicht ist es Wunschdenken, aber ich glaube viele Indizien zu erkennen, die darauf hindeuten, dass das „Startup-Mindset“ in nicht allzu ferner Zukunft das Denken unserer gesamten Gesellschaft prägen wird. Ich würde daher raten immer auf der Hut zu sein. Vertraut keinen vermeintlichen Sicherheiten. Seid jederzeit bereit, radikal umzudenken. Bildet euch immer weiter.

Fördert Diversität! Holt Frauen in Führungspositionen. Vernetzt euch international.  Geht Risiken ein und lernt schnell aus den Fehlern, die dadurch entstehen. Seid offen für neue Menschen und neue Ideen in eurem Unternehmen. Klammert euch nicht an Hierachien. Wenn ihr merkt, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter eine Aufgabe besser ausfüllt, als ihr selbst, dann übertragt ihr diese. Vernetz euch. Stimmt euch (auch mit euren Konkurrenten) ab. Ertragt Unsicherheit und reagiert schnell und entschlossen.

(Fotos: Daniel Lukac)