CREATIVE RESIDENCY – Wenn Startups von Künstler*innen lernen…

So fördert NEXT MANNHEIM kreatives Denken im unternehmerischen Kontext

Bereits zum zweiten Mal findet im Rahmen des Up2B Breakthrough Programms ein Mentoring durch Kreative im Rahmen einer "Creative Residency" statt. 

Aber um was geht es dabei genau und wie funktioniert dieses Mentoring? Welche Erwartungen und Hoffnung damit verbunden sind und was die Kreativen über ihre Rolle denken? All das hier im INTERVIEW:

Wie ist die Idee entstanden, Künstler*innen bzw. Kreative als Mentor*innen in den Up2B Accelerator einzubringen?

Dr. Matthias Rauch (Head of Cultural Innovation & Creative Economy bei NEXT MANNHEIM):

Ich trage die Idee schon länger mit mir herum, Künstler*innen und Kreative direkt in unternehmerische Prozesse zu integrieren. Im Rahmen des UP2B Accelerators testen wir diese Herangehensweise nun zum zweiten Mal. Der Grundannahme ist dabei, dass Künstler*innen und Kreative anders denken und andere Denkstrukturen aufweisen als beispielsweise Ingenieur*innen, Entwickler*innen oder Kaufleute. Kunstschaffende bewegen sich kontinuierlich in offenen Prozessen, bei dem der Ausgang bzw. das Ergebnis unklar ist und damit natürlich auch die Möglichkeit des Scheiterns immer inhärent ist. Wie wir wissen, sind Change- oder Innovationsprozesse auch stets offene Prozesse und es gibt Anzeichen dafür, dass Künstler*innen und Kreative teilweise besser mit diesen offenen Prozessen umgehen können als Expert*innen aus anderen Bereichen. Hier beobachten wir, dass sehr stark linear und entlang von Effizienzkriterien gedacht wird. Künstler*innen denken eher assoziativ und in netzwerkartigen Strukturen. Diese Perspektive oder Haltung kann in Innovationsprozessen sehr produktiv sein und hier erhoffen wir uns zumindest einen punktuellen Mindset-Transfer.

Matthias Rauch (CULTURAL INNOVATION Officer / Head of Cultural Innovation & Creative Economy)
Matthias Rauch (CULTURAL INNOVATION Officer / Head of Cultural Innovation & Creative Economy)
Wir brauchen generell mehr künstlerisches Denken in unternehmerischen Kontexten.
Dr. Matthias Rauch, Cultural Innovation Officer / Head of Cultural Innovation & Creative Economy

Welchen Mehrwert erhofft ihr Euch für die Startups im Up2B Accelerator?

Anna Hüttl (Coordinator Accelerator Programs/International Projects bei NEXT MANNHEIM):

Wir erhoffen uns vor allem vier Dinge von der Integration von künstlerischem Denken und Handeln in den Up2B Accelerator:

  • Diversität. Die Gründer*innen sind bei uns noch eine sehr homogene Gruppe, vor allem männlich, aus einem sehr technologischen Industrie-Umfeld, entweder mit längerer Berufserfahrung in der Industrie oder direkt von der Uni. Wir glauben, dass durch die Integration von Künstler*innen auch eine neue Diversität mit ins Programm gebracht wird. Wir gehen davon aus, dass Diversität die Ergebnisse eines Innovations- und Gründungsprozesses besser und nachhaltiger machen.
  • Offenheit. Durch die Auseinandersetzung mit anderen Disziplinen, mit Menschen, die anders arbeiten und eine andere Art zu denken haben, wird die Offenheit gegenüber anderen Meinungen gestärkt. Auch das Verständnis für andere Lebensumstände und aktives Zuhören wird geschult. Das unterstützt auch unseren dritten Wunsch:
  • Kund*innenzentrierung. Durch aktives Zuhören und die Akzeptanz anderer, kann Feedback des/der Kund*in viel besser aufgenommen werden. Generell spielt die Kund*innenzentrierung eine essentielle Rolle für den Erfolg eines Startups. Dementsprechend kann man diese offene Haltung, aktives Zuhören und Interesse am anderen nicht genug trainieren.
  • Flexibilität. Die Kund*innenzentrierung bringt auch stetigen Wandel und neue Anforderungen mit sich. Durch den kreativen Prozess – meist mit offenem Ausgang – lernen Startups, sich auf Unsicherheiten und Wandel einzulassen und darauf flexibel mit neuen Ideen zu reagieren.
Accelerator-Koordinatorin Anna wünscht sich, dass sich durch das Creative Residency Programm nicht nur das Mindset verändert, sondern auch die Qualität und Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle und Projekte gewährleistet wird.
Accelerator-Koordinatorin Anna wünscht sich, dass sich durch das Creative Residency Programm nicht nur das Mindset verändert, sondern auch die Qualität und Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle und Projekte gewährleistet wird.
Durch den kreativen Prozess können unsere Startups lernen, sich auf Unsicherheiten und Wandel einzulassen und darauf mit neuen Ideen flexibel zu reagieren.
Anna Hüttl, Coordinator Accelerator Programs & International Projects

Wieso ist es aus Eurer Sicht wichtig, dass sich Startups mit kreativen Denkweisen auseinandersetzen?

Matthias: Ich glaube, dass gerade fachfremde Perspektiven für Startups unheimlich produktiv sein können. Sie vermögen es, „blinde Flecken“ freizulegen und aus einer vermeintliche naiven Fachfremdheit kann ich ganz neue und anderen Fragen stellen, auf die man innerhalb seiner etablierten Denkstrukturen im Zweifel nie gekommen wäre. Wir sind davon überzeugt, dass diese Perspektivwechsel von Künstler*innen und Kreativen bei Startups und Unternehmen ermöglicht werden können. Darüber hinaus bewerten Künstler*innen aus ihrer Perspektive Sachverhalte auch häufig anders und so wird es möglich, vermeintliche Probleme auch als Chance oder gar Vorteil zu wahrzunehmen. Auch der Umgang mit Unsicherheit und Unplanbarkeit – ein Aspekt, der nicht nur den unternehmerischen Bereich vor Herausforderungen stellt - ist etwas, das man von Künstler*innen und Kreativen sehr gut lernen kann. Wir brauchen generell mehr künstlerisches Denken in unternehmerischen Kontexten.

Anna: Gerade, wenn Gründer*innen aus einem großen Unternehmen oder direkt von der Uni kommen, sind sie relativ geradlinige Prozesse, Bewertungen von vorneherein und klaren Zieldefinitionen gewohnt. In der Realität eines Startups sieht das dann aber etwas anders aus: unvorhersehbare Hindernisse, unbekannte Kund*innen, schnelles Einarbeiten in neue Themenfelder und kontinuierliches Lernen – und was am Ende rauskommt ist selten so sicher und geradlinig 😊

Ich bin davon überzeugt, dass eine Auseinandersetzung mit der kreativen Denkweise dazu führt, dass Startups sich auf neue Ideen, auf Wandel einlassen können und lernen die Ungewissheit und Ergebnisoffenheit auszuhalten, die zum Alltag eines Startups gehört.

Alexandra Bald, freie Designerin und Art Directorin
Alexandra Bald, freie Designerin und Art Directorin

Was war Dein erster Gedanke, als Du die Anfrage als Mentor*in im Up2B Accelerator bekommen hast?

Arthur Bauer (Fotograf und Filmemacher): Mein erster Gedanke war – hm, bin ich dafür überhaupt qualifiziert? Das sind alles engagierte und fitte Leute, die sicher genau wissen, was sie tun. Dann ist mir eingefallen, wie betriebsblind ich selbst manchmal bin. Und wie wichtig eine Perspektive von außen sein kann, um den Tunnelblick wieder zu öffnen. Wenn die Person gar nichts mit meiner Materie zu tun hat ... umso besser!

Alexandra Bald (Designerin und Art Directorin): Ich hab mich gefreut - weil ich persönlich gerne mit Ideen, die unsere Zukunft gestalten werden, konfrontiert werde. Ich denke, es ist für Gründer*innen wichtig, mal ihre alltägliche und arbeitsreiche „Bubble“ zu verlassen und sich Impulse von Menschen zu holen, die in ganz anderen Disziplinen arbeiten.

Arthur Bauer, Fotograf und Filmemacher
Arthur Bauer, Fotograf und Filmemacher

Die Hälfte des Breakthrough Programms ist jetzt schon vorbei. Was sind Deine ersten Eindrücke, wie die Startups mit Deinen Anstößen und Deinem Feedback umgehen bzw. es anwenden können?

Alexandra: Es ist sehr interessant, wie unterschiedlich die Geschäftsideen und Gründer*innenpersönlichkeiten sind. Dadurch ist es zum Teil herausfordernd herauszufinden, an welcher Stelle man guten Input geben kann. Bei den Teams, die noch sehr am Anfang stehen, fällt mir das bislang leichter als bei jenen, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Grundsätzlich scheinen mir die Sessions als total bereichernd - für alle Beteiligten.

Arthur: Bei den ersten Sessions waren es vor allem viele Fragen meinerseits, um überhaupt zu verstehen, was die Tech-Startups da treiben. Die Leute waren also gezwungen, einem Dilettanten hoch-komplexe Konzepte zu erklären. Ich denke, das ist eine gute Übung für beide Seiten. Im Dialog entstehen manchmal unerwartet gute Idee oder man findet einen Lösungsansatz für ein Problem. Reflexion und Austausch bringen Dynamik in Denkprozesse! Konkrete Anstöße konnte ich als visueller Mensch bei Pitch, Homepage, Flyer etc. geben.

Gerade wurde Up2B um weitere zwei Jahre verlängert. Wie plant ihr, das Thema weiterhin zu integrieren?

Anna: Für die zweite Förderphase haben wir uns neue Ziele gesetzt, dazu gehört die Themen Internationalisierung und Diversität. Neben neuen Programmen arbeiten wir auch daran, die bestehenden Programme zu hinterfragen und diese Themen dort nachhaltig zu platzieren. Für jedes Programm bedeutet das etwas anderes. Ziel ist es, in jedem Programm eine sinnvolle Möglichkeit zu finden, künstlerisches Denken und Handeln und die Mitarbeit von Kreativschaffenden zu integrieren.

Wie genau das aussieht, wird auch ein kreativer Prozess für uns als Team, gemeinsam mit den Künstler*innen, den Startups und den Unternehmen werden, der viel Offenheit, gute Kommunikation und Ehrlichkeit, wie auch Experimentierfreude benötigt.

Fragen zum Thema?

Dr. Matthias Rauch

Cultural Innovation Officer / Head of Cultural Innovation & Creative Economy