Textilerei Mannheim

Mit Schumacher hat Mannheim eine global aktive Fashionmarke, das Modehaus Engelhorn ist eine Top-Marke im nationalen Einzelhandel und Labels wie bspw. Von Jungfeld oder Liebesglück sind auch überregional erfolgreich. Seit der Eröffnung des Gründungszentrums Textilerei starten immer mehr Modelabels und die Modewirtschaft ist neben Musik, Design und Film zum vierten Standbein der Mannheimer Kultur- und Kreativwirtschaft geworden. Im Interview erklärt Nico Hoffmeister, der neben der Textilerei auch das C-HUB als Community Manager betreut, warum Mode „made in Mannheim“ einen Lauf hat und was das Geheimnis von Hometown Glory ist.

 

Nico, nach nur drei Jahren sind in der Textilerei alle Mieträume dauerhaft belegt und die jungen Mode-Marken wachsen kräftig. Was passiert da gerade?     

Seit der Eröffnung im Oktober 2015 ist in der Tat viel passiert: Wir haben im Laufe der letzten Jahre das Konzept sowie die Struktur der Textilerei geschärft und verbessert. Der grundlegende Gedanke unseres Gründungszentrums ist immer erhalten geblieben, aber es hat sich z.B. gezeigt, dass die anfänglich großen Werkstattflächen im Gebäude nicht im vollen Umfang genutzt werden. Daher haben wir inzwischen zwei Werkstatträume zusammengeführt, wodurch wieder neue Atelierplätze entstanden sind. So konnten wir glücklicherweise weitere Gründerinnen und Gründer bei uns aufnehmen. Das Interesse an Ateliers ist riesengroß. Auch hat sich das Portfolio professionalisiert und viele der ansässigen Marken konnten sich in kurzer Zeit am Markt behaupten und etablieren. Wir werden mittlerweile als Gründerinstitution wahrgenommen, auch überregional, und schärfen auch hier mehr und mehr das Bild für die Textilerei als Kompetenzplattform für Mode & Textilwirtschaft in Deutschland. Der familiäre Charme in unserem denkmalgeschützten Haus ist dabei immer erhalten geblieben. Bei uns sieht man sich, man kennt sich, es gibt Begegnungsflächen, wie in unserem hauseigenen Shop oder im historischen Innenhof – denn wir sind bestrebt, dass verstärkt Synergien entstehen und die Portfolios sich ergänzen.

 

Nico Hoffmeister, Leiter der Textilerei und Community Manager vom C-HUB Mannheim.

 

Welche Labels sind heute in der Textilerei zu Hause?

Es freut mich sehr, dass wir mit einem breiten Spektrum an Gründerlabels eine gewisse Konstanz erreichen konnten. Mit KALAIKA haben wir noch eine Gründerin der ersten Stunde im Haus, die ihr anfängliches Konzept mit hochwertigen, handgefertigten Netztaschen und Accessoires um eine mittlerweile umfangreiche Modeschmuck-Kollektion erweitert hat und stark expandiert. Das Kindermodelabel Piaf & Ponti fertigt seine komplette Kollektion für das Eigenlabel direkt hier vor Ort in unseren Werkstätten und hat im März 2018 unter gleichem Namen in der Mannheimer Oststadt bereits einen eigenen Concept-Store für Kinder eröffnet. Das Denim-Label Goldgarn wiederum ist die erste Jeansmarke aus unserer Stadt und hat bis zum überregionalen Launch in 2018 die Kollektion im Lifestyle-Umfeld unserer Stadt aufgebaut und platziert. Liebesglück ist mittlerweile ein erfolgreiches „Ready-to-Wear“-Label im Bereich der Damenoberbekleidung. Das Modest-Fashion-Label Mizaaist seit der Gründung stark gewachsen und betreibt neben der Textilerei ein Zweitbüro in unserem Gründerinnenzentrum gig7. Gerade erst wurde Mizaan mit der begehrten Auszeichnung „Kreativpiloten“ der Bundesregierung geehrt. Mode unabhängig von Religion, Herkunft oder Hautfarbe, Mizaan ist einfach ein spannendes und zeitgemäßes Thema! Außerdem ist die Textilerei nach wie vor Hauptsitz einer unserer größten Erfolgsgeschichten: Trauth Design Gastrowear. Zu denen muss man fast schon nichts mehr sagen – das mehrfach ausgezeichnete Gründerteam kennt man für seine hochwertigen Schürzen, mit denen es die Sterneköche, Bars und Barristas dieser Welt ausstattet und nun auch Kochhemden als Sortimentserweiterung anbietet. Auch alle Taschen von Lotta Grote werden hier in C4 handgefertigt, Junge Junge macht bei uns die genialen Mannheim-Prints und Katrin Leiber hat einen Showroom für ihre Damenschuhe mit dem innovativen KLick-System, mit dem sich die designaffinen Absätze ihrer Pumps ganz einfach und unkompliziert austauschen lassen. Ihre Schuhe werden aufwendig in Italien gefertigt und die Designabsätze entwirft und produziert die Kreative am 3D-Drucker. Mit ihrer patentierten Erfindung war sie sogar bereits für den deutschlandweiten „Arthur-Fischer-Preis“ nominiert.

 

 

Gibt es in der Textilerei eigentlich eine Höchstmietdauer?

Ja – die gibt es in all unseren Gründer- und Kreativwirtschaftszentren in Mannheim. Die Regelmietzeit beträgt zwei Jahre, danach endet das Verhältnis automatisch, sofern ein Unternehmen nicht vorher kündigt. Nach den zwei Jahren kann ein neuer Vertrag um ein weiteres Jahr, bis maximal drei Jahre, verlängert werden. Nach fünf Jahren ist man im klassischen Sinne kein Gründer mehr und sollte unseren Gründerstrukturen im besten Sinne „entwachsen“ sein. Dieses Herauswachsen ist Teil unserer Förderstrategie, denn nur so entsteht dauerhaft Platz für neue Ideen und Innovation.

C-HUB und Textilerei – was sind die Gemeinsamkeiten und wo liegen die Unterschiede?

Die Bedürfnisse und Erwartungen an das Gebäude, die Infrastruktur und die Community der MieterInnen sind in beiden Häusern ähnlich: alle GründerInnen brauchen einen Ort, an dem sie sich kreativ entfalten können, Unterstützung finden und ihnen ein unternehmerisches Zuhause geboten wird. Wie der Name schon verrät, geht es in der Textilerei ausschließlich um Mode und Textilwirtschaft, während im C-HUB Protagonisten aus den unterschiedlichsten Teilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft beheimatet sind. Neben aktuell ca. 50 ansässigen Firmen arbeiten im Jungbusch auch eine Menge Kreative im Dock 3, unserem hausinternen Coworking Space, der von den Breidenbach Studios betrieben wird. Die Textilerei ist familiär, da entsteht Austausch unter den Gründern ganz organisch – auch ohne mein Zutun. Man trifft sich bei Pourista in unserem Shop, trinkt einen leckeren Kaffee und quatscht gemütlich im historischen Innenhof. Im C-HUB ist das anders, hier organisieren wir Gemeinschaftsevents und versuchen aktiv die Community zu beleben und einen Austausch und Kennenlernen unter den Mietern zu forcieren. Aber das liegt auch sicher an den unterschiedlichen Größen der beiden Zentren und der Tatsache, dass im C-HUB einfach extrem viele unterschiedliche Branchen zuhause sind.

 

 

Ende letzten Jahres fand erneut das Pop Up-Projekt „Hometown Glory“ statt – beschreib doch mal das Konzept…

Hometown Glory ist ein temporär inszenierter Conceptstore-Event, welchen wir 2018 zum zweiten Mal im Quartier Q 6 Q 7 veranstaltet haben. In bester Lage, direkt am Quartiersplatz in der ersten Etage, präsentierten sich auf über 500 Quadratmetern Fläche Mannheimer Lifestyle-Marken und boten ihre Produkte zum Verkauf an.  Acht Tage im Zeichen von Kunst, Beauty, Fashion, Schmuck, Food und Interieur-Design. Es geht da wirklich ausschließlich um Mannheim – wir zeigen, was bei uns alles im B2C-Bereich der Gründerszene passiert. Bei der Premiere 2017 war noch der Mannheimer Designverein MADE unser Partner, diesmal haben wir es in Eigenregie kuratiert und umgesetzt. Auch der spätere Termin im Jahr war positiv für die AusstellerInnen, da bereits das Weihnachtsgeschäft begonnen hatte. Mit dem Quartier Q 6 Q 7 haben wir nicht nur eine ideale Location gefunden, sondern auch einen fantastischen Partner gewonnen, der Pop-Up-Projekten offen gegenübersteht und uns auch über das Jahr Raum für temporäre Zwischennutzungen anbietet. Vorletztes Jahr hat mit Liebesglück eines unserer Textilerei-Labels testweise einen Pop-Up-Store im Erdgeschoss eröffnet, der inzwischen nicht mehr aus dem Quartier Q 6 Q 7 wegzudenken ist.

 

 

Du kommst selbst aus der Modebranche – erzähl doch mal.

Für Mode habe ich mich eigentlich schon immer interessiert. Bereits während des BA-Studiums in Mannheim war mein ausbildender Betrieb die Falke KG. Damals bin ich immer zwischen Mannheim und dem Sauerland gependelt, denn dort hat das traditionsreiche Familienunternehmen ihren Hauptsitz. Das BWL-Studium war super und ich konnte extrem viele praktische Erfahrungen sammeln, schließlich ist Falke weltweit aufgestellt. So hatte ich z.B. die Möglichkeit, ein Auslandssemester in der Niederlassung in Kapstadt/ Südafrika zu absolvieren oder an vielen Sales- sowie PR-Veranstaltungen in Europa teilzunehmen. Nach dem Studium habe ich für Falke noch zwei Jahre im Bereich PR- und Öffentlichkeitsarbeit gearbeitet, bevor es mich nach München in eine Agentur verschlagen hat. So gesehen freut es mich daher auch als „Socken-Fachmann“, dass es mit Von Jungfeld ein Mannheimer Startup geschafft hat, auf diesem umkämpften Markt Fuß zu fassen.

 

 

Du warst auch bei dem italienischen Modekonzern Sixty aktiv, zu dem namhafte Marken wie Miss Sixty, Energie, Killah, Refrigiwear oder Murphy&Nye gehörten, richtig?

Nach meinem einjährigen Intermezzo in München hat es mich zur Firma Sixty verschlagen, die damals noch ihren Hauptsitz für den deutschsprachigen Raum in Neckarau in Mannheim hatte. Zuerst war ich für zwei Jahre im Vertrieb tätig, wo ich das klassische Wholesale- wie auch Retail-Business in Showrooms kennengelernt habe, bevor ich dann ab 2005 wieder zu meinen Wurzeln zurückgekehrt bin und die PR- und Marketing-Leitung für Deutschland, Österreich sowie die Schweiz übernommen habe. Als der Hauptsitz 2007 nach Düsseldorf in den Medienhafen verlegt wurde, haben wir dort über die Firma eine Mannheim-WG gegründet, schließlich hat das einige Kollegen betroffen, die wie ich Familie in Mannheim hatten und ein Umzug mit der Familie nicht in Frage kam. Montag bis Donnerstag Düsseldorf, freitags Homeoffice in Mannheim – das war eine spannende Zeit, in der ich ein starkes, internationales Netzwerk aufgebaut habe. Und es sind auch Freundschaften entstanden, die bis heute Bestand haben, und spannende Kontakte, die gerade jetzt für die Arbeit in der Textilerei extrem hilfreich sind und mir Zugänge etwas leichter ermöglichen.

Du teilst Dein Knowhow und Dein Netzwerk mit den GründerInnen?

Absolut! Ich schaue immer, wo ich auch als Person helfen und unterstützen kann, sofern es passt und das Gründerlabel den möglichen Anforderungen auch schon gewachsen ist. Aber wenn der Zeitpunkt stimmt und ich mit meinen Erfahrungen, Kontakten oder Schnittstellen helfen kann, dann mache ich das sehr gerne, schließlich sind hier tolle Marken und Produkte dabei, die auf dem Markt eine absolute Berechtigung haben und es verdienen, berücksichtigt zu werden.

 

 

Hast Du selbst schon mal ein Modelabel gegründet?

Ein Label direkt nicht, aber ich habe mit InPRESSd vor ein paar Jahren eine Online-Plattform gegründet, die Labels und Presse miteinander vernetzt. Eine B2B-Plattform, die der Presse den Zugang zu Markenkollektionen erleichtert und die Suche vereinfacht. Labels können ihren PR-Content unabhängig selbst verwalten und diesen tagesaktuell publizieren. Umgekehrt müssen Redaktionen nicht mehr durch hunderte Lookbooks, USB-Sticks und DVDs wühlen, um passende Bilder und Texte für ihre Publikationen zu finden, sondern können themenorientiert und schnell finden, was sie suchen. Gegründet habe ich damals selbstverständlich in Mannheim und unsere Gründerlabels dürfen sich dort kostenlos präsentieren und die Plattform nutzen.

 

 

Was bringt die Zukunft für den Textilstandort Mannheim?

Gerade erst haben sich auf den großen Modemessen in Berlin sowie Düsseldorf wieder einige unserer Gründerlabels mit eigenen Standkonzepten präsentiert, im Bereich Interieur-Design sogar in Paris. Das unterstreicht unsere Arbeit vor Ort sowie die Strahlkraft und das Potential junger, individueller Markenkonzepte, auch wenn der Markt seit ein paar Jahren sehr schwer umkämpft ist. Als Kompetenzplattform mit einer hervorragenden Infrastruktur für Mode und Textilwirtschaft wollen wir uns noch besser positionieren. Zudem wollen wir verstärkt gewerbliche Immobilienbesitzer und Einzelhändler mit unseren Marken zusammenbringen und temporäre Leerstände bespielen. Solche Zwischennutzungen haben enormes Potential, wie zuletzt der Maomi-Pop-Up-Store in der ÖVA-Passage auf den Planken anschaulich gezeigt hat. Die Partnerschaft zum Startup-Ökosystem Tel Aviv wird immer intensiver – vorwiegend im Tech-Bereich. Da wünsche ich mir, dass auch in der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie speziell im Modebereich Kollaborationen mit diesem spannenden Ökosystem entstehen. Ansonsten arbeiten wir mit STARTUP MANNHEIM weiter daran, dass sich unsere Stadt als erfolgreicher Gründungsstandort mehr und mehr etabliert. Wir haben hier einen jungen, kreativen Modestandort, der es verdient hat, noch stärker ins öffentliche Bewusstsein zu geraten – national wie international.

Letzte Frage: Auf was freust Du dich als Nächstes in Mannheim?

Es stehen eine ganze Reihe neuer und spannender Projekte an, daher freue ich mich insbesondere auf die Musikalische Lesung „Nah am Leben“Co-Work 2019: die Coworking Konferenz für kollaborative Konzepte, Allez Hop: ein französich-deutscher Cultural Entrepreneurship Summit und natürlich die Time Warp, die dieses Jahr bereits zum 25 Mal in Mannheim die Tore öffnet. Und wir planen bereits die nächste Ausgabe vom Hometown Glory, die noch in diesem Frühjahr stattfinden soll.


Interview: Andreas Stanita / LA.MAG

Fotos: Ricardo Wiesinger

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