Gender Bias – Was ist das?

In 2020 halte ich es fast schon für eine Herausforderung noch nicht von "Bias" gehört zu haben. Und dennoch herrscht weitgehende Unsicherheit, was genau damit gemeint ist und ob ich vielleicht auch selber davon betroffen sein könnte. Deshalb ein kleiner Einblick darin, wie Annahmen unsere Arbeits- und Lebenswelt prägen, aber auch, wie wir ihnen entgegen wirken können.

Vorab direkt die schlechte Nachricht: Wir haben alle "Unconscious Bias" - stereotypisierte Annahmen über Gruppen von Personen, denen wir uns nicht bewusst sind. Unsere Gehirne nutzen diese Abkürzung, um Ordnung in unser Umfeld zu bringen und Reaktionen schneller auszulösen. Diese Annahmen beeinflussen unsere Entscheidungen jedoch weitreichender, als vielen bewusst ist.

John oder Jennifer?

Quelle: Science Faculty's Subtle Gender Bias Favor Male Stundents von Corinne A. Moss-Racusin, John F. Dovidio, Victoria L. Brescoll, Mark J. Graham, und Jo Handelsman, 2012.
Quelle: Science Faculty's Subtle Gender Bias Favor Male Stundents von Corinne A. Moss-Racusin, John F. Dovidio, Victoria L. Brescoll, Mark J. Graham, und Jo Handelsman, 2012.

2012 hat die Princeton Universität dazu eine interessante Studie durchgeführt: 127 Wissenschaftler*innen sollten Bewerbungen für die Position des Labormanagements bewerten. Gleiche Qualifikationen, gleiches Alter, gleiche Noten - einziger Unterschied: der Name.

John wurde als kompetenter eingeschätzt und erhielt daher öfter ein Jobangebot als Jennifer. Und nicht nur das, ihm wurden 13% (4000$ im Jahr) mehr Gehalt angeboten. Dabei machte es auch keinen Unterschied, ob die Bewertung von einer Professorin oder einem Professor getroffen wurde.

Das zeigt, dass das häufig gegen Quoten genutzte Argument: "Wir stellen die am höchsten qualifizierte Person ein" leider oft zu kurz gegriffen ist und Gender Bias in keinem Fall nur Männer betrifft.

Wie sehen bias aus?

Um Unconscious Bias im eigenen Umfeld und an sich selber zu erkennen, ist es wichtig zu wissen, wie Vorurteile aussehen können. Inzwischen werden mehr als 150 Formen kategorisiert, doch ein Überblick über die häufigsten gibt bereits wertvolle Ansätze zur Selbstreflektion.

Affinity oder "like me" bias

Scheint selbstverständlich, wird aber gerade im Berufsalltag unterschätzt: Wir beurteilen Personen danach, ob wir uns mit ihnen identifizieren können, etwas gemeinsam haben, oder ob sie uns ähneln. Bedeutet konkret: Studien zeigen, das weiße Männer auch am ehesten Männer mit ähnlichem Hintergrund einstellen, da sie gemeinsame Erfahrungen oder Hobbys teilen.

Confirmation bias

Wir mögen es, wenn wir bestätigt werden. Deshalb suchen wir aktiv nach Verhaltensweisen, oder Merkmalen, die unsere initiellen Annahmen belegen. Wer mag nicht richtig liegen? Dabei ist es leicht, andere Punkte zu übersehen. Oft werden im selben Atemzug der Halo- und der Horn-Effekt genannt. Diese treten auf, wenn eine positive oder negative Eigenschaft einer Person oder Gruppe alle anderen Charakteristiken überschattet. Als Beispiel werden oft frisch verliebte Paare genannt, die sich anhimmeln und erst später den oder die Partner*in als Ganzes wahrnehmen.

Performance bias

Personen innerhalb unserer Gruppe werden anders bewertet als Externe. So sehen wir in "In-Group"-Personen meistens das Potential, während wir die "Out-Group" anhand der Performance bewerten. Auch dies spielt in männerdominierten Branchen eine entscheidende Rolle: Besonders junge Frauen müssen sich in ihrer Position erst beweisen. So ist es auch belegt, dass in der Vergabe von Fördergeldern vergleichbare Geschäftsmodelle von Frauen als naiv eingeschätzt werden, die bei Gründern als mutig gelten.

Gender bias

Diese Beispiele weisen schon auf einen bestimmten Bias hin: Den Gender Bias. Der Vorzug einer Person aufgrund ihres Geschlechts und damit einhergehende Annahmen über Verhalten und Rollenbilder. 

In der Arbeitswelt wird immer wieder deutlich, wie sehr wir Leistungsvermögen und Aspirationen von Mitarbeitenden nach unseren Annahmen beurteilen. Sei es: Eine junge Mutter, möchte sich auf die Familie konzentrieren und nicht befördert werden, oder Frauen sind besser in Teams, während Männer nur an ihre eigene Karriere denken. Doch woher kommen diese Annahmen?

Wie wir sind und wie wir sein sollten

Gender Bias entstehen bereits sehr früh in unserer Entwicklung. Beispielsweise durch Sozialisation mit verschiedenen Spielzeugen, durch Labels wie "Mädchen sind zickig", Vorbilder in den Medien, oder persönliche Erfahrungen. Die entstehenden Stereotype sind deskriptiv und präskriptiv. Das heißt, sie legen die gesellschaftliche Wahrnehmung fest, wie Frauen oder Männer sind und wie sie sein sollten. Wenn mit diesen Normen gebrochen wird, wird das Verhalten als Abweichung registriert.

Madeline Heilman hat in ihrer Studie herausgefunden, dass Verhaltensweisen von Frauen, die mit typisch weiblich zugeschriebenen Charakteristika brechen, als Verstoß wahrgenommen werden. Aber nicht nur das, auch wenn sie sich nicht an das erwartete "Soll"-Verhalten anpassen, hat es negative Konsequenzen. Das kann sich zum Beispiel darin äußern, dass wir annehmen, erfolgreichen Frauen, vor allem in männlich dominierten Bereichen, fehlen weibliche Qualitäten - sie sind kalt, oder egoistisch. Denn sonst hätten sie es nicht so weit gebracht.

Interessanterweise findet Heilmann heraus, dass Männer im Gegenzug oft Komplimente erfahren, wenn sie typisch weiblich zugeordnete Verhaltensweisen zeigen, wie teamorientierte Führung oder Fürsorge in der Familie. 

Was tun?

Wie können wir Bias erkennen und aktiv abbauen?

HIER geht es zum zweiten Teil "HOW TO... Gender Bias abbauen"  >>>

Quellen

geschrieben von: Birka Wolff, 12.2020