PreviPharma & Fraunhofer

Um Menschenleben zu retten, entwickeln Mannheimer Forscher aus Blutplasma neue Medikamente. Wir haben das Wissenschafts-Tandem Marc Mazur von PreviPharma und Dr. Jens Langejürgen von der Fraunhofer „Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie“ im Medizintechnologie-Startup-Center CUBEX 41 zum Interview getroffen.

 

Marc und Jens – wie kam es zu Eurer Zusammenarbeit im CUBEX 41 ?

Marc Mazur: Wir sind schon seit 2015 im Cubex und lernten Jens im April 2018 beim Kaffeetrinken und Kickerspielen kennen. Wir erkannten sofort Schnittpunkte und Synergien. Aber nicht nach einem offiziellen Meeting mit fünfseitigen Skizzen und zig Manuskripten, sondern ganz locker aus der Frage heraus: „Hey, was macht Ihr denn so?“ Anfangs hatten wir nur einen Raum – und heute sind wir schon zweitgrößter Mieter im Cubex mit einem ganzen Flur. Ideal für Workflow, Repräsentation und natürlich die Vernetzung.

Dr. Jens Langejürgen: Wir arbeiten beide mit unseren Teams im Cubex, haben also kurze Wege. Marc hatte von der Förderung durch das Fraunhofer Institut gehört, speziell für eine Veranstaltung in Australien. Dort sitzt auch einer der weltweit größten Plasmafraktionierer von Blutplasma, also für Marc ein potenziell großes Partnerunternehmen.

 

Das Wissenschafts-Tandem Marc Mazur (links) von PreviPharma und Dr. Jens Langejürgen von der Fraunhofer „Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie“.

 

Bitte erklärt doch erst mal – was genau ist Plasma eigentlich?

Marc: Das menschliche Blut besteht zu 60 Prozent aus Plasma. Das ist der liquide, zellfreie und leicht gelbliche Teil des Blutes. Es dient als Transportmedium für die zellulären Blutbestandteile, sowie für Plasmaproteine und niedermolekulare Substanzen. Man gewinnt es, indem das Blut zentrifugiert, auf Viren getestet und anschließend schockgefroren wird. Wir selbst sind kein Plasmafraktionierer, aber wir nutzen Plasma als Forschungsmaterial.

Jens: Meine Gruppe entwickelt und optimiert Messtechnik für biomedizinische Anwendungen, unter anderem auch Temperatur-Sensoren. Plasma ist empfindlich und beim Einfrieren und Auftauen geht schnell etwas kaputt. Marcs Team und meine Gruppe setzten uns zusammen und machten erste Experimente zur Anwendbarkeit. Dabei haben sich unsere Erfahrung mit Sensoren, und PreviPharmas Wissen über Blutplasma optimal ergänzt.

 

 

Ihr seid weltweit sicher nicht die einzigen, die Medikamente aus Blutplasma herstellen. Was macht Euer Projekt einzigartig?

Marc: Zur Zeit sind sechs bis sieben Medikamente auf dem Markt, die aus Plasma gewonnen werden. Diese Medikamente helfen Menschen mit genetischen Defekten: wenn beispielweise einem Menschen die Glieder anschwellen, weil er an einer Gerinnungsstörung leidet oder an Immunschwächen leidet. Diese gängigen Medikamente wurden allerdings schon vor Jahrzehnten entwickelt – und kaum für weitere Therapien weiterentwickelt. Wir haben diese Ideen neu aufgerollt. Zum Beispiel entwickeln wir seit 2015 einen neuen Wirkstoff, ein neues Therapie-Konzept für ein Plasmaprotein. Das Entscheidende daran ist: Es hilft nicht nur für Menschen mit einem genetischen Defekt, sondern auch Patienten mit erworbenen Mängeln. Zum Beispiel bei Therapiebereichen wie Organversagen oder Infektionskrankheiten. Das heißt, wir erweitern den Kreis der möglichen Patienten von einer Mini-Nische auf einen großen therapeutischen Bereich und können damit sehr vielen Menschen helfen. Weitere Wirkstoffe mit neuen Indikationen sind derzeit in Arbeit. Ich bin davon überzeugt, dass wir Pharmaka mit Milliardenpotential entwickeln.

Ihr forscht heute beide im Bereich Medizintechnologie, obwohl ihr aus anderen Fachrichtungen stammt. Wie kam es dazu?

Marc: Nach dem Abitur absolvierte ich meinen Bachelor und MBA in „Corporate Finance“ in Los Angeles und habe in meinen ersten Jahren als Management-Berater auch Pharma-Kunden betreut, was mein erster Kontakt mit der Branche war. Danach hatte ich eine Top-Manager-Karriere vor mir und arbeitete für die interne Management-Beratung und IT von VW. Erst 2013 kam ich dann zum Team von PreviPharma – zunächst noch mit einem geringen medizintechnischen Hintergrund.

Jens: Auch ich bin kein Mediziner. Ich habe an der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule“ Aachen Physik studiert, dann an der Leibniz Universität Hannover in Elektrotechnik promoviert. Nach einem PostDoc in der Analytischen Chemie in England begann ich als Gruppenleiter im Bereich Medizintechnik bei Fraunhofer zu arbeiten.

 

 

Findet man als Quereinsteiger mit einer Startup-Idee in der Medizinbranche problemlos Gehör?

Marc: Die Plasmabranche ist eine hochkomplexe und schwierige Nische und tauscht gegenseitig kaum Wissen aus. Als ich 2013 zu PreviPharma kam, hatten wir natürlich noch kein Gehör, weder national noch international. Zu Beginn richtete ich das Unternehmen gänzlich neu aus: Das 2007 gegründete Startup versuchte sich damals schon in der Technologie-Entwicklung, hatte erfolgreiche Ansätze, aber war als Unternehmen viel zu klein. Meine Vision führte daher weg von der eigenen Technologie-Entwicklung hin zu einem Service-Integratoren-Konzept. Das heißt, wir nahmen zuerst Jahre lang die Moderatoren- und Berater-Rolle ein und arbeiteten uns so zum absoluten Insider hoch.

Jens: Im Sommer reisten wir gemeinsam nach Australien und haben unseren Ansatz vor Professoren, Studierenden und einem großen Blutplasma-Fraktionierer vorgestellt. Die Reaktionen waren sehr positiv, denn Marc verfügt über ein sehr detailliertes Wissen von der Plasma-Branche, besitzt internationale Expertise und weiß als Betriebswirtschaftler, wie man ein Unternehmen führt und welche Ansprüche der Kunde hat. Aber natürlich führt er mit PreviPharma ein vergleichsweise kleines Unternehmen. Insofern war es gut, Fraunhofer als Partner mit insgesamt über 20.000 Mitarbeitern dabei zu haben. Die Kombination aus jungem, innovativem Startup und unserer renommierten Forschungseinrichtung macht uns gemeinsam sehr stark.

 

 

Wie finanziert man ein Startup-Projekt im Bereich Medizintechnologie?

Marc: Unsere Startrampe war zunächst mal unser Wissen. Abgesehen von einem mit 25.000 Euro dotierten Gründerpreis des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2015 konnten wir uns durch unser Know-How und dem daraus resultierenden Serviceangebot selbst finanzieren. Und wir fingen an, die Plasma-Fraktionierer zu fragen: „Wieso probiert Ihr nicht mal unseren Ansatz aus?“ Viele haben uns nicht ernst genommen, uns belächelt. Immer nach dem Motto: „Das funktioniert nicht“. Und dann haben wir es einfach wieder selbst gemacht – und es funktioniert! Wir sind innerhalb weniger Jahre von einem Technologie-Service-Unternehmen zu einem medizinischen Forschungsunternehmen geworden. Das ist die Königsdisziplin. Und jetzt haben wir mehrere strategische Optionen.

 

 

Das klingt sehr optimistisch. Haben sich aus dem Besuch in Australien bereits Kooperationen entwickelt?

Jens: Aktuell sind wir in Gesprächen und profitieren von dem hochkarätigen Netzwerk und der Publicity. Das sehe ich als einen absoluten Erfolg an. Aber es braucht einen langen Atem und den richtigen Zeitpunkt, bis daraus Projekte entstehen. Ich wurde zum Beispiel vom deutschen „Bundesministerium für Bildung und Forschung“ eingeladen, um unser Tandem und das Austauschprogramm vorzustellen.

Marc: Wir kooperieren seit dem Symposium mit der Universität in Adelaide für präklinische Studien. Hingehen, kennenlernen, austauschen. Das ist enorm wichtig. Wir hätten uns durch Internetrecherche nie gefunden, man übersieht online zu viele Dinge.

 

Kommen die australischen Forscher nun auch nach Mannheim?

Jens: Ja, und zwar bereits im November 2018. Sie haben zwar selbst hervorragende Forschung und eine gut laufende Wirtschaft, aber den Australiern fehlt der Transfer. In den dortigen Strukturen ist es schwerer, den akademischen Part auf die Straße zu bringen und die Erkenntnisse gut zu verknüpfen. Deshalb sind Marc und ich als Mannheimer Tandem ein interessantes Beispiel, ein „best practice“ für die Australier.

Marc: Die weitere Vernetzung ist absolut in unserem Sinne. Seit 2017 bauen wir aktiv eine „Medical Innovation Plattform“ auf. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit unseren Partnern, mehrere neue Wirkstoffe aus Plasma mit neuen Indikationen bis zum Patienten zu bekommen. Wir erforschen Medikamente, es geht um das Retten von Menschenleben. Und in diesem Punkt bin ich ein gläubiger Mensch. Nicht unbedingt strikt im religiösen Sinne. Aber ich bin konsequent optimistisch. Ich glaube nicht an Zufälle – aber an Ideen, die gute Dinge anziehen.

 


Interview: Sina Listmann / LA.MAG

Fotos: Ricardo Wiesinger

www.previpharma.com

www.pamb.ipa.fraunhofer.de

www.cubex41.de