HEMA

Das Hebron-Mannheim Co-Working Lab

Unsere Mission:

Das Lab hat zum Ziel, einen kollaborativen Arbeitsort für Unternehmensgründer*innen zu schaffen und eine internationale Startup Szene in Hebron aufzubauen. Das Projekt wird über das entwicklungspolitische Programm „Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte“ (NAKOPA) der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.

Neben der Schaffung von Arbeitsplätzen geht es unter anderem darum, Kompetenzen zu vermitteln und einen Wissenstransfer zwischen Mannheim und Hebron zu initiieren.  

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NEXT MANNHEIM INTERVIEW

mit David Linse (Fachbereich Internationales der Stadt Mannheim) & Dr. Claudia Rabe (Head of Tech, Startup-Support, International NEXT MANNHEIM).

David Linse ist Leiter des Fachbereichs für Internationales der Stadt Mannheim. Zusammen mit NEXT MANNHEIM (damals noch STRATUP MANNHEIM) hat er vor 7 Jahren die Initiative einer Zusammenarbeit mit Hebron, der zweitältesten Stadt der Welt und der größten Stadt des Westjordanlandes ergriffen.

Heute ist dort ein gut ausgestatteter Coworkingspace für Startups aus Palästina eingerichtet, der mit NEXT MANNHEIM eng zusammenarbeitet.

Warum diese Initiative? Was war das Ziel?

DAVID: "Tatsächlich ist schon die Entstehungsgeschichte des Projektes sehr spannend! Mannheim pflegt seit vielen Jahren enge Verbindungen zur israelischen Partnerstadt Haifa. Insofern sind wir natürlich auch mit der politischen Situation in der Region und dem israelisch-palästinensischen Konflikt vertraut. Deutschland unterstützt seit langem den Friedensprozess im Nahen Osten und setzt sich daher auch für die Zwei-Staaten-Lösung ein. Vor einigen Jahren brachte der damalige Oberbürgermeister von Haifa, Yona Yahav, die Idee auf, ein gemeinsames trilaterales Projekt mit israelischer, palästinensischer und deutscher Beteiligung zu realisieren.

In der Folge haben wir erstmals Kontakte mit palästinensischen Städten aufgenommen und festgestellt, dass gerade Hebron großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit uns hat. So ist auch die Idee des Coworkingspace entstanden: Wir haben einerseits in Hebron viele sehr gut ausgebildete und motivierte junge Menschen und andererseits eine hohe Arbeitslosenquote. Mit unserem Projekt unterstützen wir diese jungen Menschen ein eigenes Unternehmen zu gründen und tragen somit auch dazu bei, dass Voraussetzungen für eine positive gesellschaftliche Entwicklung geschaffen werden. Auch wenn es noch ein weiter Weg ist – unser Ziel bleibt es, dass Menschen aus Israel, Palästina und Deutschland zusammenkommen und gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten."

Warum hat sich STARTUP MANNHEIM (heute NEXT MANNHEIM) an diesem Projekt beteiligt?

CLAUDIA: "Durch die bereits von David beschriebenen Beziehungen zu unserer Partnerstadt Haifa hatten wir seitens NEXT MANNHEIM bereits Kontakte zu dem dortigen Technologiezentrum HiCenter, darüber hinaus auch zur Startup-Szene in Tel Aviv. Durch Aufenthalte vor Ort und auch grundsätzlich bei der Beschäftigung mit Israel wird man ja mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt unweigerlich konfrontiert. Betrachten wir es einmal so: wir haben in diesem Projekt eine große Chance gesehen, unsere Expertise zur Verfügung zu stellen, zu unterstützen, dort tragfähige Strukturen im Gründungsbereich aufzubauen – aber, und das ist besonders wichtig zu betonen, es ging immer um gegenseitiges Lernen und um Austausch. Natürlich war da auch jede Menge Neugierde, Spannung und Freude, sich auf ein solches Projekt einzulassen, das nicht alle Tage an uns herangetragen wird."

Palästina befindet sich in einer sehr besonderen politischen Situation. Hebron ist eine geteilte Stadt. War es nicht sehr schwierig, funktionierende Strukturen und Netzwerke aufzubauen?

DAVID: "Ja und Nein. Es ist erstmal eine andere Welt: Man fährt (manchmal auch in gepanzerten Fahrzeugen) durch eine Landschaft, die von Grenzmauern und Checkpoints gekennzeichnet ist. Schwer bewaffnetes Militär ist allgegenwärtig. Aber gleichzeitig leben in Hebron natürlich auch Menschen, die dieselben Wünsche haben, wie wir hier in Deutschland: Eine Ausbildung machen, eine Familie gründen, eine wirtschaftliche Existenz aufbauen. Insgesamt ist die Kommunikation sehr einfach: Man wird, wenn man vor Ort ist, immer sehr herzlich empfangen und im Rahmen der Projektzusammenarbeit läuft vieles über elektronische Kommunikation. Was ganz entscheidend war: Unsere Projektpartner in Hebron waren immer extrem zuverlässig, was unabdingbar ist, wenn man Fördermittel umsetzt. Da muss alles stimmen: Ausschreibungen, Abrechnungen – alles wird genau geprüft und kontrolliert."

Auch wenn es noch ein weiter Weg ist – unser Ziel bleibt es, dass Menschen aus Israel, Palästina und Deutschland zusammenkommen und gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten.
David Linse

Wie hast du die Menschen, Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung aber auch die Startups in Hebron erlebt?

CLAUDIA: "Die Erfahrungen waren eigentlich durchweg positiv. Es existiert eine unglaubliche Gastfreundschaft und man fühlt sich vom ersten Augenblick an sehr willkommen. So sind im Verlauf der letzten Jahre auch Freundschaften entstanden, die wir als sehr bereichernd empfinden. Das motiviert natürlich gleichzeitig zu guter und gewinnbringender Zusammenarbeit. Aus fachlicher Sicht wurde das Wissen, das wir in unseren Workshops und Seminaren vermittelt haben, schon fast begierig aufgenommen. Es wurde diskutiert, nachgefragt – das war schon alles sehr rege im Austausch. Klar ist aber auch, dass es Unterschiede in den Mentalitäten gibt, auch Hierarchien und Familienstrukturen spielen im beruflichen wie privaten Alltag – so meine persönliche Wahrnehmung – eine dominante Rolle. Die städtische Verwaltung z.B. ist ganz klar eine Männerdomäne. Allerdings hatten wir im Rahmen unseres Projektes auch mit sehr selbstbewussten, extrem gebildeten Frauen zusammengearbeitet, die mit höchstem Engagement und sehr viel Energie ihrer Arbeit nachgehen und dabei erfolgreich sind. Diese Frauen sind Vorbilder. Ich habe sie sehr bewundert, denn die Rahmenbedingungen, mit denen sie täglich konfrontiert sind, sind keine einfachen – auf ganz unterschiedlichen Ebenen."

Pitch-Session der Hebron Startup im Mannheimer MAFINEX
Pitch-Session der Hebron Startup im Mannheimer MAFINEX
Wir haben auch mit sehr selbstbewussten, extrem gebildeten Frauen zusammengearbeitet, die mit höchstem Engagement und sehr viel Energie ihrer Arbeit nachgehen. Diese Frauen sind Vorbilder, denn die Rahmenbedingungen, mit denen sie täglich konfrontiert sind, sind keine einfachen – auf ganz unterschiedlichen Ebenen."
Dr. Claudia Rabe (NEXT MANNHEIM)

Ein solches Projekt in die Wege zu leiten ist auf vielen Ebenen eine große Herausforderung. Sowohl finanziell als auch organisatorisch. Wie habt ihr das Projekt gestaltet?

DAVID: "Wir haben mittlerweile sehr viel Erfahrung in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Die Projekte laufen immer nach einem ähnlichen Muster ab: Zunächst müssen sich die beiden Partner einig werden, welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen und wie sie diese lösen wollen. Dann wird ein Projekt mit Maßnahmen und Aktivitäten definiert. Wichtig ist dabei, dass beide Seiten auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Beide sind für den Erfolg des Projektes verantwortlich! Es ist nicht so, dass eine Seite gibt und die andere nimmt. Als Stadt Mannheim realisieren wir nur Projekte, für die wir Fördermittel des Bundes oder der EU beantragen können. Es muss also auch noch der Fördermittelgeber durch ein stimmiges Konzept überzeugt werden. Das ist alles viel Arbeit, aber der Rahmen eines Förderprogramms zwingt auch dazu, Fristen und Ziele verbindlich einzuhalten und zu erreichen. Das zahlt sich dann am Ende der Zusammenarbeit immer aus."

Wie kann man sich die konkrete Zusammenarbeit genau vorstellen? Was ist genau passiert? Wie habt ihr kooperiert?

CLAUDIA: "Das Portfolio der einzelnen Projektbausteine war groß und vielfältig und hat eigentlich alles beinhaltet, was wir den Gründungen aus unserem Ökosystem u.a. auch anbieten im ersten Schritt in die Selbständigkeit – das Basiswissen sozusagen: Welche Methoden gibt es zur Ideenfindung, wie erstelle ich einen Business- und Finanzplan, etc. Dies haben wir einerseits den Gründungen dort vermittelt, allerdings war vorrangig auch unser Auftrag, die Beschäftigten dort in die Lage zu versetzen, solche Trainings selbst anzubieten, also im Sinne von „Train the Trainer“. Wir haben dazu mehrmals im Jahr Zeit vor Ort verbracht, umgekehrt durften wir die Kollegen aus Hebron auch hier in Mannheim empfangen. So konnten wir unsere Strukturen und Konzepte hier aufzeigen und erklären, auch der Betrieb unserer Zentren war ein wesentlicher Bestandteil. Aus meiner Sicht sehr spannend war der Aufenthalt einer Startup-Gruppe aus Hebron, die hier über mehrere Tage ein Mentoring erhalten hatten, auch mit potenziellen Kunden aus der Region zusammengebracht wurden und letztlich einen sog. Pitch vor einer Jury bestritten haben. Das war eine tolle Erfahrung. Einerseits aus der Perspektive des Engagements, das die Startups an den Tag gelegt haben, andererseits das Kennenlernen der Geschäftsmodelle. Das war eine richtig gute Gruppe, es hat viel Spaß gemacht.

Im letzten Jahr des Projekts hat uns natürlich auch die Pandemie die Zusammenarbeit erschwert. Auch hier haben wir alle Formate in die digitale Welt verlegt, was grundsätzlich unter den gegebenen Rahmenbedingungen gut funktionier hat, aber für den Projektabschluss im Herbst letzten Jahres natürlich sehr schade war. So fand abschließend z.B. ein Hackathon und ein Digital Summit statt – alles virtuell, aber auch daraus haben wir im Endeffekt viel gelernt."

Dr. Claudia Rabe (Head of Tech, Startup-Support, International NEXT MANNHEIM)
Dr. Claudia Rabe (Head of Tech, Startup-Support, International NEXT MANNHEIM)

Was kam letztlich bei dem Projekt heraus? Gab es weitergehende Kontakte zwischen Startups aus Hebron und Mannheimer Institutionen? Würdet ihr es wieder machen?

DAVID: "Ja! Das Projekt war sehr erfolgreich und das lag an zwei Faktoren: Unsere Partner in Hebron waren sehr engagiert und wollten wirklich etwas aus dem Projekt mitnehmen. Die Kolleg*innen von NEXT MANNHEIM wiederum sind alle extrem kompetent und haben genau das Know-how, das es braucht, um ein Coworking Space nicht nur aufzubauen, sondern auch langfristig zu betreiben. Das Projekt war von Anfang an auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Auch nach dem Ende der finanziellen Bezuschussung wird das Coworking in Hebron weiter betrieben und generiert in zunehmendem Maße eigene Umsätze. NEXT MANNHEIM hat darüber hinaus zugesagt, palästinensische Startups weiterhin in Einzelfällen zu beraten, z.B. im Rahmen von Videokonferenzen. Darüber bin ich sehr froh!"

Wie geht es jetzt weiter? War’s das oder ist ein follow up geplant?

CLAUDIA: "Nein, ein „War’s das“ wird es hier in absehbarer Zeit nicht geben. Wie schon erwähnt, dazu sind die Verbindungen zu den Menschen dort zu sehr gewachsen und natürlich durften wir unterstützen, die dortigen Strukturen mit aufzubauen. Das Thema „Gründung“ nimmt gerade richtig Fahrt auf, im Speziellen, und das ist essentiell, an den dortigen Universitäten. Es hat lange gebraucht, die Academia (inkl. der Studierenden) dahingehend zu sensibilisieren, dass die Selbständigkeit eine Option ist, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das technische wissenschaftliche Know-How ist groß, Gründungsideen liegen auf dem Tisch, aber die Perspektive, diese in ein eigenes Unternehmen zu überführen, war wenig bis gar nicht vorhanden. Diese Erkenntnis ist spannend. So gibt es viele Bälle, die es gilt, exakt jetzt in der Luft zu halten. Wir sind wirklich gespannt und freuen uns sehr auf die kommende Zeit  mit unseren Partnern in Hebron."