AUCTEQ Biosystems

Zellen wachsen – und brauchen Platz. Also werden sie ähnlich wie Pflanzen-Setzlinge in größere Töpfe umgetopft. Aber jedes „Umtopfen“ birgt Risiken, kostet Zeit und Geld. Warum keinen Bioreaktor entwerfen, der mitwächst? Eine simple, aber effektive Idee, die das Mannheimer Startup AUCTEQ Biosysytems zum Geschäftsmodell entwickeln will. Ein Interview mit Mitgründer Valentin Kramer.

 

Valentin, Du hast offenbar eine Marktlücke entdeckt, die andere Wissenschaftler vor Dir nicht gesehen haben. Was genau ist die Idee hinter AUCTEQ Biosysytems?

Valentin Kramer: Der ständige Zellkultur-Transport von einem Gefäß in ein anderes ist nicht kompliziert, aber aufwendig. Und ganz schnell sind die Zellen kontaminiert und damit unbrauchbar. In der Regel hat man deshalb mindestens zwei Backups, also Ersatz-„Töpfe“. Das ist ebenfalls aufwendig und umweltbelastend. Alle üblichen Bioreaktoren, die es momentan am Markt gibt, sind Einweg-Produkte, die weggeworfen werden.

 

Mitgründer von AUCTEQ-Biosystems: Valentin Kramer.

 

Wie könnt Ihr das Problem lösen?

Mit dem „Mitwachsenden Bioreaktor“. Das ist im Moment auch der Arbeitstitel, wir haben noch keinen Namen. Der Bioreaktor besteht aus einem Gummi auf Silikonbasis. Ich könnte ihn einfach aufblasen, wie einen Luftballon. Bei unserem jetzigen Prototyp – es ist die x-te Version, ich habe gar nicht mitgezählt – passen ein bis 20 Liter hinein. Im Labor müsste man dafür achtmal den Reaktor wechseln. Zur Veranschaulichung, wie schnell die Reaktionen sind: Unsere Zellen teilen sich alle 24 Stunden. Aber Kolibakterien teilen sich beispielsweise alle 20 Minuten. Bei einer Verunreinigung wäre über Nacht die ganze Zellkultur zerstört.

 

 

Ihr baut Eure Bioreaktoren momentan also noch von Hand. Wie macht Ihr das?

Anfangs haben wir unsere Materialien im Baumarkt gekauft. Schläuche und Klemmen für Zu- und Abluft – und als Reaktor haben wir Kondome benutzt. Deswegen wurden wir von Mitstudenten anfangs belächelt und nur auf „Ach, die mit den Kondomen“ reduziert. Das nervte ziemlich. Jetzt bauen wir nicht mehr mit Kondomen, sondern nutzen einen Hochleistungskunststoff als Rollenware von einer Chemie AG. Im Moment ist alles noch Handarbeit. Wir kleben, aber müssen dann warten und brauchen daher ein bis zwei Tage für die Herstellung eines Reaktors. Ziel ist ein automatisierter Herstellungsprozess.

Du hast Deinen Master bereits vor über einem Jahr gemacht. Seitdem forschst Du an der Mannheimer Uni zur Optimierung des Bioreaktors und gründest lieber, als in die freie Wirtschaft zu gehen. Warum?

Meinen Bachelor im Fach „Pharmazeutische Biotechnologie“ habe ich in Biberach bei Ulm absolviert und bin für meinen Master nach Mannheim gewechselt, mit Abschluss im Oktober 2017. Der Standortwechsel war eine bewusste Entscheidung. Die Metropolregion Rhein-Neckar ist ein wichtiger Forschungs- und Entwicklungsstandort für Unternehmen meiner Branche. Ich war zum Beispiel acht Monate Werkstudent bei der BASF. Ein Einstieg in die Industrie wäre für mich einfach gewesen, ich hatte Angebote für einen unbefristeten Vertrag. Klar, würde ich jetzt mehr verdienen. Aber ich habe sowohl privat Unterstützung als auch Support von der Universität und der Gründerstadt Mannheim erfahren. Und ich glaube an meine Idee.

 

 

Welche Art von Unterstützung brauchen Gründer wie Du?

Meine Frau hat ein festes Einkommen als Krankenschwester. Das erste Kopfteil für den Bioreaktor, das ein paar hundert Euro gekostet hat, wurde von ihr bezahlt. Meine Eltern haben mich nicht unter Druck gesetzt und gesagt: „Du machst etwas Anständiges.“ Die erste Version des Patents hat meine Familie gesponsert. Das waren gleich ein paar tausend Euro – das hat man nicht einfach mal so als Student. Und dann habe ich Unterstützer in der Universität und in der Stadt gefunden. Die Idee für den Bioreaktor hatte ich bereits im zweiten Semester des Master-Studienganges und besprach sie mit meinem Professor Philipp Wiedemann im Fachgebiet „Zellkulturen“. Er war sofort von den Vorteilen überzeugt. Gleichzeitig habe ich meine jetzige Mentorin Karin Arregui um Hilfe gebeten und nach meiner Masterthesis habe ich noch Frederik Gertz mit dazu geholt. Er ist ebenfalls Biotechnologe und hat ein gutes Händchen für Zellkulturen und steriles Arbeiten. Alle Drei unterstützen mich bis heute. Wir sind ein Team. Die Vorlesung „Bio-Entrepreneurship“ gab mir zusätzlich Schwung und wir haben ein Jahr lang am „Life Science Accelerator Baden-Württemberg“ teilgenommen: wöchentliche Seminare zu Management, Pitches, Vertrieb und so weiter. Und dann waren Frederik und ich viel unterwegs auf Wettbewerben.

 

 

Welche Programme und Wettbewerbe habt Ihr als Startrampe genutzt? Könnt Ihr Euch damit ausreichend finanzieren?

Mit der Masterarbeit habe ich das EXIST-Gründerstipendium erhalten, das jetzt noch zwei Jahre läuft. Wir haben 2017 bei „Startinsland“, dem Businessplan-Wettbewerb Südwest, den zweiten Platz errungen. Den „Cyber One 2017“ haben wir sogar ganz überraschend gewonnen. Das Online-Portal „Für-Gründer.de“ hat uns 2017 zu den Top 50 Startups gezählt. Von 752 Startups, die bei einem der deutschlandweit 176 Wettbewerben einen Award gewonnen haben, waren wir auf Platz 32. Dann ging es 2018 gleich weiter mit dem „Innovationspreis der Bioregionen“ in Berlin und dem zweiten Platz bei „MEXI“, dem Mannheimer Existenzgründerpreis. Und 2019 haben wir auch bereits gewonnen, beim „Academic Seed Accelerator Program Baden-Württemberg“ (ASAP). Und ja, wir können uns damit finanzieren. Noch sind unsere Ausgaben auch nicht sehr hoch.

 

 

Seid Ihr bereits mit potenziellen Auftraggebern in Kontakt gekommen?

Bei einem Businessplan-Wettbewerb hat mich der CEO eines mittelständischen Unternehmens angesprochen. Das ist inzwischen unser Kooperationspartner und wir arbeiten bereits an einer zweiten Idee, die jedoch noch geheim ist. Bei einem anderen Wettbewerb haben wir ein großes Biotech- und Pharmaunternehmen kennengelernt, das sehr an unserem Bioreaktor interessiert ist und ein potenzieller Kunde sein könnte. Übrigens ist das der Beweis, dass man zumindest anfangs nicht immer ein umfassendes Marketing und einen Vertrieb benötigt, wenn man ein Startup gründet. Wir haben festgestellt: Noch brauchen wir das nicht. Man lernt sich auch über Wettbewerbe und Messen kennen. Oder über ehemalige Kommilitonen, die in die Industrie gegangen sind.

Gab es auch Hürden oder Rückschläge bei der Gründung?

Es ist nicht zwingend notwendig, aber man sagt, die Chancen für das EXIST-Programm stehen besser, wenn man sich als Team bewirbt. Ich wollte zuerst mit einem Kommilitonen gründen, der dann aber kurzfristig abgesprungen ist. Diese Absage war ein Tiefpunkt für mich. Aber ich konnte dann Frederik Gertz begeistern, mitzumachen. Er schreibt gerade seine Masterarbeit – natürlich zu unseren Bioreaktoren. Und es ist ein gutes Gefühl, jetzt zusammen an einem Projekt zu arbeiten.

 

 

Wie viel Potenzial steckt in Eurer Idee? Könnt Ihr das abschätzen?

Wir haben sehr gründlich recherchiert – und die Idee scheint es noch nicht zu geben. Das deutsche und europäische Patentamt hat einen sehr positiven Recherche-Bericht vorgelegt. Im Moment befindet sich der „Mitwachsende Bioreaktor“ im globalen Patentprozess. Wir haben im Businessplan versucht, die Nachfrage zu ermitteln. Das ist aber sehr schwierig. Unsere Annahme damals war: Ein kleines Unternehmen braucht 60 bis 100 Reaktoren im Jahr. Aber dann haben wir mit einem Konzern gesprochen und dabei kam die Erkenntnis: Wir müssen eine fünfstellige Produktion pro Jahr gewährleisten, damit ein großes Unternehmen auf unser Produkt umsteigt. Es geht um Versorgungssicherheit und Verlässlichkeit.

 

 

Wie stellt Ihr Euch Eure Zukunft vor?

Gerade wird in Mannheim das Business Development Center „CUBEX ONE“ auf dem Gelände des Universitätsklinikums gebaut. Wir können uns gut vorstellen, dort einzuziehen. Vermutlich werden wir unsere Idee, wenn sie ausgereift und sich bewährt hat, irgendwann ganz Startup-like verkaufen oder lizensieren. Kunden wie Labore und Hersteller für biopharmazeutische Zellkulturprozesse gibt es genügend. Aber was wir jetzt dringend brauchen, ist ein Testkunde bis Ende des Jahres. Angenommen, die Idee würde nicht zünden: Die Lebenserfahrung und Qualifikation würde ich dennoch nicht missen wollen. Am allermeisten habe ich dabei gelernt, aus dem Wissenschaftlichen herauszukommen. Vom Labor umzuschalten auf Betriebswirtschaft, eine Idee zu sehen, auszuloten und zu planen.


Interview: Sina Listmann / LA.MAG

Fotos: Sebastian Weindel

www.aucteq.com