Mannheim goes Netflix mit „UMDGW“!

Das in Mannheim gedrehte Drama "Und morgen die ganze Welt" startet am 6. Mai auf Netflix

Regisseurin Julia von Heinz hat mit ihrem autobiografischen Drama "Und morgen die ganze Welt" international für Furore gesorgt. Der brilliante Film über die linke Szene, den Kampf gegen Neo-Nazis, Faschismus und die alles entscheidende Frage, wie weit man in diesem Kampf gehen darf (oder muss), wurde mit Hilfe der Film Commission Nordbaden und NEXT MANNHEIM im Herzen Mannheims gedreht. In dieser Woche startet das packende Meisterwerk auf Netflix. 

Wir haben uns mit Produzent Fabian Gasmia unterhalten. 

Warum dieser Film ein absolutes Herzensprojekt ist, wie wichtig das Casting und warum ausgerechnet Mannheim der perfekte Schauplatz für die Berliner Filmemacher war, erfahrt ihr HIER IM INTERVIEW....

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Wie kompliziert ist so ein Kinostart im Corona-Jahr? 

Fabian: Zehn Tage vor dem eigentlichen Kino-Start im Oktober 2020 wurde absehbar, dass es zu einem zweiten Lockdown kommen würde. Damals war ja noch nicht ganz klar, wie lange der dauern würde - wir haben damals aber sowohl in der Presse, als auch in den Sozialen Medien gespürt, dass die Leute den Film unbedingt sehen möchten. Wir sind dann für vier Tage raus. Nach all den Jahren der Arbeit an diesem Film hat es uns total gerührt, dass die paar Vorstellungen (unter Corona-Bedingungen) in allen Großstädten ausverkauft waren. Die Nachfrage war sogar so groß, dass an diesem ersten Wochenende teilweise Zusatzvorstellungen um zehn Uhr morgens und zwölf Uhr mittags aufgesetzt wurden und lange Schlangen vor den Kinos waren. Das ist etwas, das man als Filmschaffender eher selten erlebt. Regisseurin Julia von Heinz, Hauptdarstellerin Mala Emde, die komplette Cast und mich hat das total bewegt – weil wir allesamt so viel Herzblut in den Film gesteckt haben.

Der komplette Film war und ist ein Herzensprojekt. Wie lange hat die Umsetzung alles in allem gedauert?

Fabian: Julia hatte in der Jugend und in ihren Zwanzigern selbst Erfahrungen in der linken Szene. Deswegen konnte sie mit sehr großer Authentizität von der Szene sprechen. Die filmische Auseinandersetzung auf einen Punkt zu bekommen hat bei ihr dann aber viele Versionen und Jahre gedauert. Vor vier Jahren haben wir beide uns dann zusammengerauft und mit weiteren Kollegen die Produktionsfirma Seven Elephants gegründet. Damals hatte sie mir das Buch schon in die Hand gedrückt und gesagt, „Komm, das wird unser erster gemeinsamer Kinofilm!“

Gedreht haben wir dann ab Mitte März bis Mitte Mai 2019.

Der Film gibt keine Antworten, er stellt nur Fragen. Das war der Plan, und er scheint geglückt zu sein.
Fabian Gasmia (Produzent)
Foto: Oliver Wolff
Foto: Oliver Wolff

Was ist in deinen Augen die Botschaft des Filmes, dessen Thema derzeit relevanter denn je ist?

Fabian: Das ist eine gute Frage. Julia könnte da wahrscheinlich noch viel weiter ausholen – ich als Filmemacher spüre die Verantwortung, mich mit Themen auseinanderzusetzen, die gerade in der Luft liegen. Geschehnisse wie in Hanau und Themen wie die NSU machen mich persönlich wütend, betroffen und sauer. Obwohl ich mit beiden Füßen fest auf und zu unserem Gesetz stehe, schießen einem doch Gedanken durch den Kopf, dass es an der Zeit wäre, gegen solche Entwicklungen mal richtig aufzustehen. Man hat das Gefühl, als gäbe es gar kein wirklich effizientes System, das sich dieser neuen Qualität an Gewalt entgegenstellt. Ich finde es enorm wichtig, dass wir uns in der Kunst mit solchen Emotionen auseinandersetzen, damit Menschen, in diesem Fall über einen Film, in diese Gedankenwelt eintauchen können, um dann ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Selbstjustiz und Gewalt lehne ich ganz entschieden ab.

Ist es legitim, Gewalt einzusetzen und ab wann? Wie weit darf oder muss man gehen?

Fabian: Ich glaube diese Frage müssen wir als Gesellschaft immer wieder neu verhandeln. Auch aufgrund unserer Geschichte gibt es Dinge, bei denen wir ab einem gewissen Punkt nicht mehr tatenlos zusehen dürfen. Genau aus diesem Grund gibt es einen vom Grundgesetz gedeckten Passus, der es erlaubt, wenn unsere Gesellschaftsordnung in Frage gestellt wird, in den Widerstand zu gehen. Der Film gibt keine Antworten, der Film stellt nur Fragen. Das war der Plan und das scheint geglückt zu sein.

Das Produktionsteam und Hauptdarsteller von
Das Produktionsteam und Hauptdarsteller von "Und morgen die ganze Welt" am Filmset in Mannheim. Foto: Oliver Wolff

Eure Darsteller sind durch die Bank sensationell. Auf den ersten Blick eher unbekannt. Oder nicht?

Fabian: In unserem doch recht kleinen Filmkunst-Zirkel waren das teilweise schon sehr große Namen, die aber noch nicht in größeren TV-Filmen oder Krimis in Erscheinung getreten sind und daher der breiteren Öffentlichkeit möglicherweise weniger bekannt waren.  Deswegen waren sie in der Tat für viele „frisch“, wenn man das so sagen kann. Julia hatte einen sehr intensiven Casting-Prozess, im Zuge dessen sie sich sehr, sehr viele Leute angeschaut hat. Darunter waren auch sehr bekannte Gesichter. Über das Ergebnis mit dem Julia dann „nach Hause“ gekommen ist, bin ich sehr dankbar. Ich finde, dass es wirklich ein wunderbarer, energetischer, toller Cast mit großer Spielfreude war und ist. 

Warum Mannheim?

Fabian: Julia, die die Szene ja wirklich gut kennt, hat das ganz schön beschrieben, dass sie in ihrer Geschichte weder in einem kleinen Dorf, noch in einer der großen Städte wie Berlin oder Hamburg sein möchte. Dort sei die linke Szene so strukturiert und eine eigene Subkultur mit nochmal ganz anderen Regeln. Julia selbst war damals in Bonn in der Szene aktiv und suchte deswegen nach einer mittelgroßen Stadt, die auch schon einen gewissen Strukturwandel hinter sich hat. Sie wollte eine Stadt mit großen filmischen Qualitäten zeigen, die man aber so  noch nicht oft gesehen hat. Wir haben uns damals natürlich einige Städte angeschaut. Mannheim hat uns aus einer filmtechnischen Perspektive sofort überzeugt - es ist sehr vielseitig, hat diesen Hafen, Industriegebäude, das faszinierende „Schachbrett“. Visuell und aufgrund des vollzogenen Strukturwandels ist Mannheim einfach genau das, was wir gesucht haben. Zudem wurden wir hier sensationell willkommen geheißen. Michael Ackermann von der Film Commission hat uns von Anfang an unterstützt, bei der Motivsuche geholfen, tolle Leute vermittelt, wertvolle Tipps gegeben. Dadurch kam es zu großartiger Unterstützung von wirklich wunderbaren Filmschaffenden, die wir auch in künftigen Projekten noch an unserer Seite haben werden, auch wenn wir gar nicht in Mannheim drehen.

Was konnte Michael Ackermann (NEXT MANNHEIM/ Film Commission Nordbaden) beitragen und wie wäre es ohne ihn für euch als Externe gewesen?

Fabian: Vielleicht wäre es ohne ihn gar nicht Mannheim geworden. Als wir Mannheim als eine von vielen Optionen überdacht und geprüft haben, war das ein Michael, der sich sofort proaktiv gemeldet und vor Ideen nur so gesprudelt hat. Er war es auch, der uns am Ende den entscheidenden Hinweis auf das „echte“ Kultur- und Jugendzentrum (peer 23) gegeben hat, das dann zu dem fiktiven Zentrum des Filmes geworden ist. Da der Film in großen Teilen eben in diesem Zentrum spielt, ist es ein ganz entscheidender Ort. Das alte, direkt am Wasser gelegene Gebäude war genau das, was wir haben wollten – allein damit war die Entscheidung dann schon vorgefällt. Er und die Film Commission waren also ganz entscheidend daran beteiligt, dass es Mannheim wurde.

 Julia von Heinz am Set von Und morgen die ganze Welt. Foto: Oliver Wolff
Julia von Heinz am Set von Und morgen die ganze Welt. Foto: Oliver Wolff

Ihr habt als Team viel Zeit in Mannheim verbracht. Was bleibt in Erinnerung und was für ein Gefühl vermittelt diese Stadt?

Fabian: Die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen ist großartig. Ich bin Hamburger – da ist das durchaus ähnlich, jetzt lebe ich Berlin und da sieht das schon ganz anders aus. Wir hatten hier tolle Kinoabende, anstrengende Drehtage aber auch immer noch die Möglichkeit, hinterher im Jungbusch irgendwo noch ein gutes Bier trinken zu gehen. Ich habe hier gerne Zeit verbracht und mochte die Stimmung gerne. Ich war nicht die ganze Zeit während des Drehs vor Ort, sondern kam immer zwischendrin mal vorbei. Darauf habe ich mich immer gefreut.