Einmal BERLIN und zurück. Warum STARTUPS nach Mannheim ziehen

Gründerin Ulrike Heringer erzählt im Interview, was Mannheim so besonders macht

Ulrike Heringer kommt ursprünglich aus der Pfalz. Zum Studieren ist sie nach Berlin gezogen und gründete dort ihr erstes Startup, das Fahrradtaschen produziert. Ende 2020 kam sie nach Mannheim und beschäftigt in ihrem Unternehmen RAFU + ZIMMER OHG inzwischen sieben Mitarbeitende.  Im Interview erzählt sie, wie der Wechsel von der Hauptstadt in die Rhein-Neckar-Metropole zustande gekommen ist, welche Erfahrungen sie dabei gesammelt hat und wie sich die Startup-Szenen in Berlin und Mannheim voneinander unterscheiden.

Liebe Ulrike, erzähle bitte etwas über dich. Wer bist du? Woher kommst du? Was ist dein Hintergrund?

Ulrike: „Ich bin Ulrike Heringer und bin Unternehmerin von der Firma RAFU + ZIMMER OHG. Wir sind eine Kombination aus zwei Unternehmen. RAFU ist eine E-commerce Firma für Bodenbeläge und ZIMMER ist eine Marke für urbane Fahrradtaschen, die funktional, alltagstauglich und stilvoll zugleich sind. Ursprünglich bin ich Kulturwissenschaftlerin und in das Unternehmertum mehr oder weniger „reingerutscht“. Die Firma ZIMMER haben wir bereits während des Studiums gegründet und ich war sofort Feuer und Flamme. 2020 bin ich in die Rhein-Neckar-Region gezogen, weil wir hier die E-Commerce-Firma für Bodenbeläge und Fußmatten von meinem Vater übernommen haben. Die Firma besteht aus verschiedenen Online-Shops, wie zum Beispiel Matten.Center und Matten-Zuschnitt.de. Es macht mir Spaß, mein eigener Boss zu sein und eigene Projekte umzusetzen.“

Was macht euer Unternehmen besonders?

Ulrike: „Grundsätzlich bieten wir Produkte an, die man oft gar nicht im Internet kaufen kann. Wir bieten alles von den kleinsten Kokos-Fußmatten bis hin zu großen Mengen an Bodenbelägen für Industriekunden an. Wir sind einer der wenigen Anbieter, die solche Produkte überhaupt online verkaufen. Daher arbeiten wir auch ständig daran, unsere Prozesse digitaler zu gestalten. In einer altmodischen, analogen Branche wie der unseren ist das gar nicht so einfach. Wir arbeiten mit rund 20 Herstellern zusammen und dadurch ist es nicht immer einfach, die Daten sauber zu bekommen, so dass man sie an die Kund*innen weitergeben kann. Das geht zum Beispiel bei der Sendungsverfolgung los. Gerade in den letzten Monaten hatten wir mit extremen Lieferengpässen und Verzögerungen zu kämpfen. Wir haben versucht, auch das unseren Kund*innen transparent zu kommunizieren. Denn Digitalisierung bedeutet für uns nicht nur online zu sein, sondern auch einen guten Kundendienst und eine gute User-Experience zu leisten." 

Zuschnitt einer Kokos-Matte von RAFU
Zuschnitt einer Kokos-Matte von RAFU

Warum hast du dich ursprünglich für die Gründung in Berlin entschieden?

Ulrike: „Ich bin damals nicht nur wegen des Studiums nach Berlin gezogen. Der Hauptgrund war, dass ich das Gefühl hatte, dass Berlin DIE Stadt in Deutschland ist, in der wirklich etwas Neues entsteht und in der viel passiert. Dort gibt es viele Leute, die Unternehmen gründen, eigene Projekte vorantreiben oder ungewöhnliche Dinge tun. Das hat mich inspiriert. Ich hätte es vielleicht nicht gemacht, wenn ich nicht in Berlin wäre. Wenn man dort ein Startup gründet, kommt man sich nicht ungewöhnlich vor, sondern es ist ganz normal.“

Wie kam es dazu, dass du mit deinem Startup später nach Mannheim umgezogen bist?

Ulrike: „Die Hürde ein Unternehmen zu gründen, ist in Berlin vermutlich geringer als woanders in Deutschland. Wenn man aber später einen Schritt weitergehen will, ist es - je nach Firmenart - dort schwierig. Die Startups, die größer werden und skalieren wollen, werden meistens über Venture Capital finanziert. Uns war es jedoch sehr wichtig, nicht fremdfinanziert zu sein, sondern eigene Verantwortung für unsere Firma zu übernehmen. Meines Erachtens herrscht in Berlin allerdings die Einstellung, dass die Startups zunächst schnell wachsen wollen und erst danach darauf schauen, ob ihre Produkte oder Services auch wirklich gefragt sind. Uns ist es dagegen sehr wichtig, dass wir gute Produkte herstellen und positive Kundenerfahrungen sammeln und erst danach skalieren - nicht andersrum. Dass wir nach Mannheim gekommen sind, war mehr oder weniger ein Zufall. Es lag vor allem daran, dass die Bodenbelagsfirma meines Vaters hier in der Nähe war. Es war aber keine bewusste Entscheidung. Wir wollten schon länger aus Berlin weggehen, weil wir gemerkt haben, dass wir mit unseren Vorstellungen woanders hingehen müssen, wenn wir erfolgreich sein wollen. Mannheim hat in unserem Fall gut gepasst. In Mannheim gibt es viele Firmen, die solide Arbeit leisten, hart arbeiten und etwas auf die Beine stellen und nicht so damit „angeben“.

In Mannheim gibt es viele Firmen, die solide Arbeit leisten, hart arbeiten und etwas auf die Beine stellen und nicht damit „angeben“.
Ulrike Heringer
Fahrradtasche von ZIMMER
Fahrradtasche von ZIMMER

Was sind aus deiner Sicht die auffälligsten Unterschiede zwischen den Startup-Ökosystemen in Berlin und in Mannheim?

Ulrike: „In Berlin ist es normaler, dass man eigene Projekte hat, dass man gründet und gefühlt machen das dort viel mehr Menschen. Die Stadt ist zwar größer, aber es fühlt sich dort auch einfach natürlicher an. Gleichzeitig werden dort viele Firmen mit Fremdkapital „aufgeblasen“,  häufig geht es dann nur um ein „Hyper-Wachstum“. Ich denke, dass die Unternehmen in Mannheim mehr darauf fokussiert sind, in erster Reihe Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln, die auf dem Markt gefragt sind. Erst danach fangen sie mit der Skalierung an. Das gilt sowohl für die etablierten als auch für die jüngeren Firmen und Startups. Ganz generell empfinde ich es so, dass die Menschen hier einem sehr viel unterstützender und wohlwollender gegenüber stehen. Dadurch dass in Berlin nahezu „jede*r“ gründet, gibt es ja auch so viele junge Unternehmer*innen, dass die Einzelnen allein der Masse wegen nicht mehr ausreichend Unterstützung erhalten können. In Mannheim unterstützt einen gefühlt jede*r und tut, was er oder sie kann, um zu helfen. Unsere Vermieter von Blumengroßmarkt haben uns zum Beispiel beim Umzug unserer Produktionsstätte geholfen. Es gab eine Phase, in der wir an zwei Orten gleichzeitig tätig waren. Währenddessen haben sie häufig unsere Ware angenommen, diese mit dem Gabelstapler umgeräumt und an jeder Ecke geholfen - bis heute. Auch unser vorheriger Vermieter hat uns sehr unterstützt und uns auch mit anderen Personen vernetzt, was während des Lockdowns sehr hilfreich war.“

Was ich positiv empfinde ist, dass die Menschen hier generell sehr viel unterstützender und wohlwollender einem gegenüber stehen.
Ulrike Heringer

Würdest du Startups empfehlen, in Mannheim zu gründen und warum?

Ulrike: „Ich persönlich hätte es vermutlich schwer gefunden, woanders als in Berlin zu gründen. Für mich war es entscheidend, dass es viele anderen Menschen um mich herum gibt, die es ebenfalls tun. Deswegen bin ich auch nach Berlin gegangen. Trotzdem gibt es viele Gründe, die dafür sprechen, in Mannheim zu gründen. Zum Beispiel, weil die Menschen hier auf eine Art "Anpacker" sind. Zudem, ist man hier vor allem mit einem B2B Geschäftsmodel sehr gut aufgehoben. Da wir zum Beispiel auch einen Shop für Arbeitsplatzmatten für Firmenkunden und Behörden haben, passen wir ganz gut in die Region. In Mannheim und in dem gesamten Umkreis sind zahlreiche Industriefirmen ansässig. Das hilft einem schon, wenn man zum Beispiel Geschäftskunden sucht. In Berlin dagegen, gibt es viele Unternehmen aus der IT-Branche oder Startups, aber weniger Industrie.“

Das Team von RAFU + ZIMMER OHG
Das Team von RAFU + ZIMMER OHG

Was sind eure Ziele für die Zukunft?

Ulrike: „Wir wollen künftig mehrere Produkte anbieten. Aktuell haben wir "nur" ca. 450 Produkte in unserem Sortiment und es gibt sehr viel Nachfrage, die wir noch nicht erfüllen können. Diesen Bereich wollen wir also ausbauen. Außerdem ändern wir gerade unser Shopsystem von WordPress bzw. WooCommerce auf Shopware und das ist ein großes IT-Projekt, mit dem wir aktuell beschäftigt sind. Außerdem möchten wir natürlich weiter unsere Prozesse verbessern und optimieren."