Meine Botschaft ist jetzt wichtiger denn je…

Interview mit Luigi Toscano

Mit seinen Bildern bewegt der Mannheimer Fotograf und Filmemacher Luigi Toscano die ganze Welt! Denn Besucher seiner Ausstellung „Gegen das Vergessen“ blicken direkt in Gesichter von Menschen, die den Schrecken des Holocaust überlebt haben. Mit seinen großformatigen Portraits dieser beeindruckenden Menschen holt Luigi die Zeitzeugen des Nazi-Terrors aus der Anonymität heraus in das Hier und Jetzt.

Weltweit zwanzig Mal hat er seine einzigartigen Bilder schon ausgestellt, Millionen von Besuchern mit den individuellen,  bewegenden Geschichten dieser Menschen konfrontiert und entscheidend dazu beigetragen, dass ihre Erlebtes eben nicht in Vergessenheit gerät. 

Ab Montag (18.1.2021) ist die Ausstellung mit NEXT MANNHEIM als Partner auf dem Gelände des  UNESCO-Hauptquartiers in Paris zu sehen.

Im NEXT MANNHEIM Interview erzählt Luigi, warum seine Botschaft gerade jetzt wichtiger denn je ist, welche Verantwortung er trägt, warum er Post von Kamala Harris bekommen und wie Mannheim zu seinem weltweiten Erfolg beigetragen hat.

Luigi Toscano vor dem UNESCO-Hauptquartier in Paris. Ab 18.1. sind seine Bilder am Zaun des Geländes zu sehen.
Luigi Toscano vor dem UNESCO-Hauptquartier in Paris. Ab 18.1. sind seine Bilder am Zaun des Geländes zu sehen.
Es ist mir eine Ehre, diese unfassbar wichtige Botschaft in die Welt zu tragen
Luigi Toscano

Deine kommende Ausstellung ist die größte, die Du je gemacht hast. Wie ist das mit Paris zustande gekommen?

Luigi: "Ich hatte letztes Jahr im Januar die Ausstellung unter der Schirmherrschaft von Heiko Maas auf dem Gelände der Vereinten Nationen in Genf. Das haben Vertreter der UNESCO natürlich auch mitbekommen - Deutschland, Österreich und der World Jewish Congress haben sich daraufhin zusammengetan und mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, meine Bilder auch in Paris zu zeigen. Ich freue mich unheimlich darüber. Ich werde am Zaun des UNESCO-Hauptquartiers so viele Bilder zeigen wie noch nie zuvor. Insgesamt habe ich 400 Überlebende besuchen und fotografieren dürfen, 200 davon zeige ich jetzt in Paris, in Washington waren es zum Vergleich nur 120 – aber das hatte auch logistische Gründe. Die Bilder werden teilweise im Innenbereich, aber eben größtenteils auf dem Außengelände am Zaun im öffentlichen Raum gezeigt. Das bedeutet, dass die Bürger von Paris sich die Ausstellung, mit Abstand, auch unter gewissen Corona-Beschränkungen anschauen können.

Lustigerweise ist der Zaun um das Gebäude von dem gleichen Architekten, der auch für den Zaun um das UNO-Hauptquartier in New York verantwortlich war. Da hingen meine Bilder ziemlich genau vor drei Jahren. Das hat die Vorbereitungen leichter gemacht. Ich weiß, welche Kabelbinder ich mit einpacken muss und wie die Portraits wirken werden."

Was hat es mit dir gemacht, diese Bilder zu machen, diese Menschen zu treffen? Was bedeutet Dir dieses Werk?

Luigi: "Jeder weiß, was gerade los ist auf der Welt – nicht nur in Washington, sondern auch hier bei uns in Deutschland. Es gibt junge Menschen, die anfangen sich der Corona-Einschränkungen wegen mit Anne Frank zu vergleichen. Diese Entwicklung macht mich sprachlos, bestätigt mich aber darin, wie wichtig meine Arbeit gerade jetzt ist. Auch aus diesen Gründen fühle ich mich bestärkt und förmlich dazu aufgerufen, das weiterhin zu machen, auch wenn es natürlich oft auch anstrengend ist.  Nach all den Jahren und zwanzig Ausstellungen ist es mir nach wie vor eine Riesen-Ehre, diese unfassbar wichtige Botschaft weiterhin unermüdlich in die Welt zu tragen. Jetzt mehr denn je – der weltweit offene Antisemitismus ist alarmierend und schockiert mich. Und dieses Problem ist weiter verbreitet, als wir uns das vorstellen können.

Bei meiner Ausstellung in Wien wurde das offensichtlich, als einige meiner Bilder mutwillig zerstört wurden. Das war entsetzlich, die Reaktion vieler junger Menschen darauf hingegen hoffnungsvoll.

Viele Jugend-Organisationen, unter anderem die Muslimische Jugend aus Österreich, haben eine ganze Woche lang Mahnwachen vor den Bildern gehalten und 24 Stunden lang aufgepasst. Da kam wirklich eine Monster-Bewegung  zustande, die weltweit in der Presse Anerkennung gefunden hat – bis hin zu Artikeln in der New York Times."   

Hast Du vor großen Events so etwas wie Lampenfieber? 

Luigi: „Zum Teil ja. Mir ist natürlich schon bewusst, jetzt auch speziell in Paris, was ich mit meinen Bildern und ihrer Botschaft bewirken kann. Dass man da auch einfach mal ein wenig nervös ist, ist denke ich, völlig normal. Es ist schließlich eine große Verantwortung, die ich da trage – ich repräsentiere ja, so wie jetzt in Paris, nicht nur meine Heimatstadt Mannheim, sondern auch die Bundesrepublik und somit unser aller Geschichte. Nervös machen mich aber auch kleinere Details. Ob eben alles gut geht. Gerade mit den ganzen Hindernissen, die wir ja leider im Moment noch haben. Das können dann auch ganz banale Dinge sein, so was wie „hoffentlich kommt der Truck rechtzeitig“. Wir machen das ja auch logistisch alles selbst. Es ist nicht so, dass wir eine Riesen-Firma im Hintergrund haben.

Deine Bilder sind großformatig. Würde die Ausstellung auch mit kleineren Bildern funktionieren?

Luigi: „Menschen funktionieren sehr visuell. Die Tatsache, dass die Bilder im öffentlichen Raum ausgestellt werden in Kombination mit der beachtlichen Größe von über 2 Metern Höhe, ist natürlich dankbar. Durch diese beiden Komponenten gelingt es sehr viel einfacher, die Aufmerksamkeit zu generieren, die das Thema und die Protagonisten verdient haben.

Wer wird deine bisher größte Ausstellung eröffnen?

Luigi: „Coronabedingt gibt es schon am 18.1. so etwas wie eine stille Eröffnung. Am 25.1. werden unterschiedliche europäische Repräsentanten zu einer Eröffnungszeremonie der UNESCO online zugeschaltet. Das läuft dann live über die Kanäle der UNESCO.  Zwei Tage später beim International Rememberance Day habe ich die große Ehre, mit Angela Merkel und Joe Biden Teil der Zeremonie zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust zu sein. Die Bundeskanzlerin wird dann direkt etwas über die Ausstellung und meine Bilder sagen. Das ist schon aufregend und spannend. Das ist jetzt alles aktuell in der Planungsphase.“  

Wie darf man sich das vorstellen? Ruft Angela Merkel bei Dir an? Zuzutrauen wäre es ihr…

Luigi: (lacht) „Klar! Sie ruft an und sagt „Hey Luigi…“ Wohl leider nicht. Ihr müsst euch vorstellen, das Ganze wird getragen, oder sagen wir mitgetragen, vom Auswärtigen Amt. Das Protokoll wird dem Bundeskanzleramt zur Verfügung gestellt. Da gibt es viele Menschen im Hintergrund, die Bundeskanzlerin wird diese Informationen in ihre Rede einbauen, oder einbauen lassen. Aber wer weiß…

Im Sommer hast du eine gerahmte Urkunde von der künftigen U.S. Vizepräsidentin Kamala Harris erhalten. Wie kam das?

Luigi: „Das ist ganz einfach (lacht), weil ich es mir verdient habe. Nein. Ich habe meine Bilder ja auch in San Francisco ausgestellt. Insgesamt hat die Ausstellung besonders in Amerika bleibenden Eindruck hinterlassen. Und das eben nicht nur an den prominenteren Orten wie Washington, New York oder Pittsburgh, sondern auch in beispielsweise Kansas City, im tiefsten Trump-Land. Und selbst da waren viele Menschen von den Portraits tief bewegt. Die Anerkennung von Kamala Harris, die ja aktuell Senatorin in Kalifornien ist, habe ich speziell für die Ausstellung in San Francisco erhalten.

Wie finanzierst Du Deine Ausstellungen?

Gerade in der jetzigen Pandemie-Situation ist es natürlich relativ schwierig, die entsprechenden Gelder zusammenzubekommen. Teilweise werden die Kosten von den Ländern getragen, deren unterschiedliche Vertretungen, dem World Jewish Congress und eben auch durch Partner wie NEXT MANNHEIM.

OB Dr. Peter Kurz verabschiedet Luigi vor seiner Abreise nach Paris.
OB Dr. Peter Kurz verabschiedet Luigi vor seiner Abreise nach Paris.

Du bist viel unterwegs, aber Mannheim ist und bleibt Deine Heimatstadt. Was macht diese Stadt und ihre Strukturen so besonders?

Ich habe zum Beispiel sehr von dem profitiert, was NEXT MANNHEIM in den vergangenen Jahren getan hat. Von Beginn meiner künstlerischen Laufbahn an habe ich immer wieder auf Räumlichkeiten in den Zentren zurückgreifen dürfen. Dass diese großartige Infrastruktur in Mannheim entstanden ist, war und ist für mich als Künstler extrem wichtig. Dieser Umstand hat es mir erst möglich gemacht, meinen ganz individuellen Weg gehen zu können. Dass Mannheim als Stadt es sich zum Ziel gesetzt hat, diese Infrastrukturen über Jahrzehnte hinweg zu schaffen, finde ich großartig. Geschenkt bekommt man auch hier natürlich nichts, aber es werden einem alle Möglichkeiten geboten. Du musst schon selbst was tun, um deine Ziele zu erreichen. Das ist richtig und wichtig so. Ich bin sehr dankbar für all das, was viele Menschen, wie unter anderem Christian Sommer (NEXT MANNHEIM Geschäftsführer), diesbezüglich in und für Mannheim tun.

Alle Informationen zur Ausstellung in Paris 

(18. Januar bis 12. Februar 2021) 

Mannheims einzigartige Infrastruktur hat es mir möglich gemacht, meinen ganz individuellen Weg gehen zu können.
Luigi Toscano