Strohbauplatten: CO2 negativ, gipsfrei & nachhaltig

Ein Gespräch mit Marcel Burgstaller von istraw über seine innovativen Lösungen für das Bauwesen

Das Sustainable Living Lab Mannheim ist ein Förderprogramm von NEXT MANNHEIM, mit dem wir Forschergruppen, Startups und erfinderische Gewerbetreibende darin unterstützen, ökologisch nachhaltige Produkte oder Dienstleistungen im Stadtbereich zu erproben. Hierzu werden öffentliche und private Immobilien als Testflächen für bis zu 6 Monate bereitgestellt. So ist es möglich, unter lebensnahen Bedingungen zu erproben, was man an eurer Lösung noch verbessern kann und was schon gut funktioniert. 

Im Rahmen eines Interviews hatten wir die Gelegenheit mit Marcel Burgstaller, dem Gründer und Geschäftsführer der istraw GmbH & Co. KG, zu sprechen. Er ist einer der ersten Programmteilnehmer und Experte auf dem Gebiet der Herstellung von Bauprodukten aus einjährigen Faserpflanzen. Im Gespräch gewährte er uns Einblicke in seine innovativen Konzepte und erklärte uns, warum das Bauen mit Stroh eine vielversprechende Zukunftsperspektive für eine nachhaltigere Bauindustrie darstellt.

Ihr seid das zweite Team, das das Sustainable Living Lab von NEXT MANNHEIM nutzen wird. Kannst du kurz beschreiben, was ihr macht?

Marcel: Wir stellen Bauprodukte auf Basis von sogenannten einjährigen Faserpflanzen her. Und in erster Linie ist das Stroh, was in unseren Augen ein fantastischer Rohstoff für die Baubranche ist, denn Stroh gibt es zuhauf! Man schadet der Natur nicht, wenn man Stroh nutzt. Außerdem hat Stroh viele besondere Eigenschaften, die sich bauphysikalisch gut nutzen lassen. Die meisten unserer Produkte sind für den Einsatz im Trockenbau, d.h. vor allem Wände, die im Innern eines Bauwerkes erstellt werden. Wir ersetzen gipsbasierte Trockenbauprodukte, die deutlich weniger nachhaltig sind. Neben dem Aspekt des Umweltschutzes sollte man nicht vergessen, dass natürliche Baustoffe das Raumklima verbessern - als Nutzer profitiert man also von Wänden aus Stroh. Und wenn ich mir den Trend im Bauwesen mit Blick auf die ESG-Vorgaben und den European Green Deal anschaue, dann helfen wir Projektentwicklern (oder Bauherren) und Investoren den Wert ihres Investments zu steigern und, vor allem, zu erhalten!

Das hat uns natürlich überzeugt, weil wir uns im Sustainable Living Lab mit der Frage beschäftigen, wie die Stadt Mannheim noch schneller nachhaltige Technologien im städtischen Kontext selber einsetzen und fördern kann.
Kannst du noch etwas zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten mit traditionellen Trockenbauprodukten sagen? Was müssen zum Beispiel Menschen wissen, die im Trockenbaubereich gerne eure Produkte nutzen wollen?

Marcel: Es ist ganz einfach. Man kann unsere Bauplatten wie herkömmliche Trockenbauprodukte einsetzen. Jeder Trockenbauer, der Gipskartonprodukte nutzt, kann auch unsere Platten verarbeiten. Sie ähneln eher einer Spanplatte als einer Gipsplatte, sind aber sonst im Wesentlichen recht ähnlich, außer dass der Kern aus hochkomprimierten Fasern ohne weitere Verklebung besteht. Und wenn Monteure noch Fragen haben, stehen wir natürlich zur Verfügung mit unserem Service-Team.

Die Endprodukte sind besonders belastbar und frei von umweltschädlichen Zusatzstoffen.
Marcel Burgstaller

Wie genau entstehen denn die Strohbauplatten? Kann das nicht theoretisch jeder machen?

Marcel: Zum Glück nicht! Obwohl unsere Produkte sehr simpel erscheinen, muss man schon genau wissen, was man da tut. Ich selbst beschäftige mich seit rund 17 Jahren mit Stroh als Rohstoff für die Baubranche. Unsere Platten entstehen letztlich in spezifischen Pressmaschinen.
Die Endprodukte sind besonders belastbar und frei von umweltschädlichen Zusatzstoffen. Mit unseren neuen Anlagen werden wir in absehbarer Zeit in der Lage sein, noch mehr Formate und Varianten zu produzieren. Dazu gehören dann auch Schilfkulturen, die man zur Rückvernässung der Moore anpflanzen kann.

Wo produziert ihr eure Produkte?

Marcel: Noch fertigen wir im EU-Ausland, aber wir planen den Aufbau weiterer Produktionsstandorte. Je kürzer die Lieferketten, desto besser für die Umwelt. Übrigens: Auch in der Rhein-Main-Region können wir uns einen Produktionsstandort vorstellen. Unser Ziel sind ja regionale Produkte aus regionalen Ressourcen für regionale Märkte.

Welchen Impact kann euer Produkt für die Nutzer in der Stadt Mannheim haben?

Marcel: Mannheim muss, wie jede andere Stadt in Deutschland, möglichst schnell die CO2-Bilanz seiner Bauwerke reduzieren und gleichzeitig mehr bauen. Das ist eine enorme Herausforderung für jede Stadt. Ich denke, dass man das in Mannheim hier verantwortungsvoll angeht, hier tut sich offensichtlich was - allein dieses Programm hier. Aber man muss sich klar machen, dass jede Stadt die Nachhaltigkeitsziele verfehlen wird, die nicht sehr schnell konsequent handelt. Und weil man sowohl beim Neubau als auch Bauen im Bestand eigentlich immer einen Trockenbau-Anteil hat, können wir hier eben echt einen Unterschied machen. In Schulen und Kindergärten, aber auch in Büros profitieren die Nutzer der Räume tatsächlich auch von einem besseren Raumklima. Das ist so das, was ich als größte Vorteile für die Stadt Mannheim sehe.

In Schulen und Kindergärten, aber auch in Büros profitieren die Nutzer der Räume tatsächlich auch von einem besseren Raumklima.
Marcel Burgstaller

Wie partizipiert ihr am Sustainable Living Lab der Stadt Mannheim? Wo wird euer Produkt eingesetzt und was ist das Ziel des Tests?

Marcel: Wir möchten hier mindestens ein begehbares Projekt ausstatten, sodass Interessenten aus der Region unsere Produkte im Einsatz erleben können. Im besten Fall können wir die Stadt davon überzeugen, bei zukünftigen Projekten im Trockenbaubereich auf gipsbasierte Produkte zu verzichten und stattdessen CO2-bindende Produkte zu bevorzugen.

Die istraw GmbH&Co.KG, damals noch als TVB Burgstaller, wurde 2012 von Marcel Burgstaller als Planungsbüro für nachhaltige Gebäude gegründet.

Im Laufe der Zeit wurde die Firma zunehmend auf die Bereitstellung von Baumaterialien aus Stroh spezialisiert. Dies war aufgrund der Erkenntnis möglich, dass Stroh in großen Mengen konkurrenzlos zur Verfügung steht.

Stroh hat eine große Zukunft, da es viele Fragen an moderne Nachhaltigkeit im Bauwesen beantwortet, regional verfügbar ist und in nahezu keiner Konkurrenz steht. Weiters exploriert die istraw GmbH&Co.KG aktuell weitere, mitunter sehr spannende Faserquellen mit hoher klimapositiver Auswirkung.

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Daniel
Heltzel

Ansprechpartner Sustainable Living Lab Mannheim